Der Kommentar

Schule fertig – und dann?

27.07.2022

Von Werner Bauknecht

Es scheint, selten war die Ratlosigkeit oder die Hilflosigkeit größer bei der Frage, was nach dem Schulabschluss kommen soll. Kein Wunder, denn wie soll man sich in einer zunehmend unüberschaubareren Welt zurechtfinden, wenn man mit knapp 18 Jahren vor dem Problem steht, seinen Lebensentwurf für die kommenden Jahrzehnte zu stemmen?

Dank G8-Gymnasium in Baden-Württemberg gibt es eine Teenagerschwemme, die von der Reife her auf solche Entscheidungen nicht vorbereitet sind. Kein Wunder retten sich alleine im Jahr 2021/22 mehr als 50 00 Jugendliche in ein Freiwilliges soziales Jahr. Ein Jahr durchatmen, nachdenken, Orientierung suchen – alles Aufgaben, die ein neunjähriges Gymnasium nachhaltig unterstützen könnte. Ein ehemaliger Schulleiter aus Rottenburg, der den Modellversuch von G9 an seiner früheren Schule noch zu Beginn begleitete, hält diese Variante für „einen Segen.“

Aber die hartleibigen Politiker in Stuttgart, ganz besonders die Grünen, wehren sich mit Händen und Füßen gegen die G9-Variante. Das ist umso unverständlicher, als Eltern seit Jahren laut und deutlich genau das fordern. Kaum ein (westdeutsches) Bundesland, das die unselige G8-Variante nicht abgeschafft und G9 wieder eingeführt hat. Nicht dazu gehört Baden-Württemberg. So werden Studien- und Ausbildungsabbrecher herangezogen. Schon 2016 bezeichnete die „Wirtschaftswoche“ die G8-Einführung als den „größten Holzweg des deutschen Bildungswesens.“

In Deutschland haben wir derzeit 33 Prozent Studienabbrecher. Nein, die gehen nicht alle auf das Konto von G8 oder der Grünen – aber sie sind in hohem Maße mitverantwortlich. Was ist denn aktuell das Ergebnis der Politik Kretschmanns („Ich bin ein Anhänger der G8-Variante“)? Laut einer Studie des Landes-Wissenschaftsministeriums ist der Hauptabbruchgrund die „Lücke zwischen Anforderungen des Studiums und fehlenden fachlichen Voraussetzungen.“

Da ist ein Forderung der G8-Verteidiger/innen echt entlarvend: Man solle den Stoff doch so kürzen, dass man auch G8 locker schaffen könne – ohne auf Freizeit, Sport, Hobbys zu verzichten. Klar, könnte man machen – aber was bleibt dann von der Bildungsinstitution Gymnasium noch übrig? Halbwissen gepaart mit Unreife und noch größerer Unsicherheit über die eigene Zukunft – genau das also, worauf die Unis und die Ausbildungsstätten gewartet haben.

Nein, G9 ist nicht die Lösung aller Probleme im Bildungssektor. Aber ein Mosaikstein dazu ist es unbedingt.

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Erstellt:
27.07.2022, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 27.07.2022, 01:00 Uhr

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