Leben wie ein Rausch

Selig-Bandleader Jan Plewka spricht über alte Zeiten

Zigtausend verkaufte Alben, unzählige Fanbriefe, Endlos-Tourneen vor ausverkauften Häusern: Über mangelnde Aufmerksamkeit konnte sich Selig nie beklagen. Die fünf Nordlichter waren die deutschen Indie- und Grunge-Heroen der frühen 1990er-Jahre – vom Feuilleton geliebt und von den Fans verehrt.

02.05.2019

Der Sänger und Schauspieler Jan Plewka ist der Bandleader von Selig. Bild: Jürgen Spieß

Der Sänger und Schauspieler Jan Plewka ist der Bandleader von Selig. Bild: Jürgen Spieß

25 Jahre nach dem ersten Album sind die Hamburger jetzt noch einmal mit den Songs ihres Debütalbums auf Tour. Gespannt sein darf man darauf, ob es der Band um Sänger und Schauspieler Jan Plewka gelingt, die Poesie von damals noch einmal in eine Form zu bringen, die auch für das Jahr 2019 glaubwürdig klingt. Jedenfalls haben Selig wie keine andere deutsche Rockband begriffen, wie sehr sich die Menschen nach einer kleinen Wiederkehr ihrer Jugend sehnen. Wir sprachen mit Selig-Frontmann Jan Plewka, der sich an die Anfänge der Band erinnert.

Eure aktuelle Tour zum 25-jährigen Bestehen der Band ist eine Rückbesinnung auf alte Zeiten und euer Debütalbum „Selig“. Wie war das damals 1994 für dich, als die Band aus dem Stand so große Erfolge feierte?

Jan Plewka: Schon von Kindestagen an habe ich davon geträumt, Komplizen zu finden, mit denen ich auf der Bühne stehen kann. Mir war es schon immer wichtig, die Musik und das dazugehörende Leben mit allen Sinnen zu leben, an die Grenzen des Rock‘n‘Roll zu stoßen, präsent zu sein auf den Bühnen dieser Welt. Festivals, Fernsehshows, Videos, Plattenvertrag, Studio, eine Tour nach der anderen: Ein Traum ging in Erfüllung, mit Leo, Christian, Stoppel und Malte auf eine wilde Rock‘n‘Roll-Reise zu gehen. Es war wie ein Traum im Traum.

Waren dieser schnelle Erfolg und der Tourneestress Gründe dafür, dass sich Selig nach fünf Jahren aufgelöst hat?

Ja, es gab einfach keine Leute um uns herum, die mal ein bisschen auf die Bremse getreten hätten: Es wurde ein Album herausgehauen, eine Tour gemacht, dann die Tour verlängert und danach wurde schnell das nächste Album nachgelegt. Es gab so gut wie keine Erholungsphasen zwischendurch. Wir hatten vor lauter Trubel vergessen, Pausen einzulegen. Das Leben war wie ein Rausch, in dem wir uns immer mehr entfremdet haben. Irgendwann nach gefühlten 100 Jahren brauchten wir dann definitiv die Pause.

Wie habt Ihr Euch 2008 wiedergefunden?

Durch einen Anruf. Wir trafen uns mit ziemlich gemischten Gefühlen in einem Restaurant am Rande von Hamburg und merkten schnell, dass der Kreis noch nicht geschlossen war. Wir redeten die ganze Nacht über alles und beschlossen am nächsten Morgen, es nochmal miteinander zu versuchen.

Die Band tritt mit Ausnahme von Keyboarder Malte Neumann in unveränderter Besetzung auf. Hat sich seit der Wiedervereinigung von Selig im Umgang miteinander etwas verändert?

Wir sind ruhiger im Umgang miteinander geworden, reflektierter, höflicher und jeder lässt dem anderen den Freiraum, den er braucht, etwa für Familie und Soloprojekte. Außerdem haben wir begriffen, dass wir den anderen so akzeptieren müssen, wie er ist. Natürlich sagt sich das alles sehr leicht, denn im Fall unseres Keyboarders Malte hat es leider nicht hingehauen.

Wie kamst du darauf, dem Zucker völlig abzuschwören?

Nachdem ich mit dem Alkohol aufgehört hatte, war ich den Süssigkeiten verfallen und merkte irgendwann, wie ich mich damit immer mehr vergifte. Heute kann ich mit Überzeugung sagen: Ich empfehle jedem, mal zehn Tage ohne Zucker zu leben.

Werdet Ihr bei eurem Auftritt im franz.K neben den Songs vom 94er-Debütalbum auch Titel des neuen Albums „Kashmir Karma“ spielen?

Na klar, aber hauptsächlich feiern wir unser erstes Album ab, weil uns das sehr viel Spaß macht und weil da viele Titel drauf sind, die wir live entweder noch gar nicht oder 1994 zum letzten Mal gespielt haben.

Parallel zu eurer Tour lasst Ihr die Selig-Songs von Gastmusikern in eigenen Fassungen für eine CD aufnehmen. Wer ist da dabei?

Das ist noch geheim, wird aber sehr geil.

Die Fragen stellte Jürgen Spieß

Selig spielen am Sonntag, 5. Mai, 20 Uhr, im Reutlinger franz.K.