Der Kommentar

Sogenanntes Betretungsrecht

20.10.2021

Von Angelika Brieschke

Als regelmäßige Spaziergängerin in der Natur werde ich gerne mal von Wiesenbestellern festgehalten und darüber belehrt, dass das Überqueren derselben verboten sei. Sogar auf allertiefsten Traktorspurwegen sei das strengstens untersagt – auch wenn sich der Durchschnittsmensch insgeheim fragt, welches Gewächs man da denn schädigen könnte und ob man das überhaupt auf dem Teller haben möchte.

Aber geschenkt: Man lässt sich ja vieles sagen, wer möchte schon in seiner Freizeit Streit anfangen. Und nein: Ich laufe nicht quer über Äcker, ich habe keinen Hund, der unappetitliche Dinge hinterlässt und ich klaue auch kein Obst. Ich geh nur lieber auf Gras als auf Asphalt.

Vor einigen Jahren hatte sich mir mal – Ende Oktober – ein Streuobstbauer in den Weg gestellt und erbost gefragt, ob ich nicht wüsste, dass man nur von November bis Februar über Wiesen laufen dürfe. Aha, dachte ich. Blöd, aber immerhin eine klare Aussage. Seitdem freue ich mich jedes Jahr über die Zeit, in der ich unbescholten über Wiesen laufen kann.

Entsprechend irritiert war ich nun, als ich neulich ein Schild auf einer Streuobstwiese entdeckte: „Privatgrundstück – Betreten verboten“ steht drauf. Darf man das? Also: Darf man ein Schild in den Wiesenboden rammen? Und muss sich der gemeine Spaziergänger dann daran halten? Das müsste doch mit einem einfachen Anruf irgendwo zu klären sein, dachte ich. Aber weit gefehlt: Als Problem stellte sich heraus, eine zuständige Stelle zu finden.

Beim Verein Schwäbisches Streuobstparadies hat niemand so richtig Ahnung von der rechtlichen Seite, aber nach längerem Suchen wurde eine Literaturstelle gefunden: Das „sogenannte Betretungsrecht von Flächen in der freien Landschaft“ ist im Naturschutzgesetz Baden-Württemberg geregelt. Demnach hat „jede Person ein Recht auf Erholung in der freien Landschaft“. Heißt: Die Außenflächen dürfen von jedermann zum Zwecke der Erholung unentgeltlich betreten werden. Prima, dachte ich.

Allerdings trudelte dann die Mail vom Landratsamt, Abteilung Landwirtschaft, ein mit folgender Erklärung: „Ob ein Besitzer/ Pächter oder Eigentümer ein solches Schild anbringen darf, hängt zunächst davon ab, ob das Aufstellen eines Schildes einer baurechtlichen Genehmigung bedarf oder nicht. Dies beurteilt die untere Baurechtsbehörde, welche bei Vorliegen der Voraussetzungen nach §46 Abs.2 i.V.m Abs.4 LBO BW die Gemeinde sein kann.“ Und: „Sollte es zulässig sein, ein solches Schild aufzustellen, wäre es wünschenswert, wenn sich die Spaziergänger daran halten würden.“

Die Polizei konnte mir trotz eingehender Recherche nur mitteilen, dass sie zu diesem Thema leider nichts mitteilen kann und der Landesbauernverband erklärt in seinem „Merkblatt Feldwege“, dass es ein „Betretungsverbot von März bis Oktober“ für landwirtschaftlich genutzte Flächen gebe. Aha.

Was, frage ich mich nun, entgegne ich in zwei Wochen dem nächsten Choleriker auf der Wiese? Angelika Brieschke

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Erstellt:
20.10.2021, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 24sec
zuletzt aktualisiert: 20.10.2021, 01:00 Uhr

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