30 Tage Verzicht

Studierende versuchten, nachhaltig zu leben

Der Klimawandel fordert uns heraus, denn er verlangt von uns vor allem: weniger. Weniger Fleisch essen, weniger Plastik verwenden, weniger fliegen – einfach weniger konsumieren. Lustig ist das nicht. Der TAGBLATT ANZEIGER sprach darüber mit Michael Rumberg, Professor für Ökobilanzierung und Klimawandel an der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg.

05.12.2018

Michael Rumberg hat mit rund 70 Studierenden die Möglichkeiten und Grenzen eines umweltfreundlichen Lebensstils getestet. Bild: Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg

Michael Rumberg hat mit rund 70 Studierenden die Möglichkeiten und Grenzen eines umweltfreundlichen Lebensstils getestet. Bild: Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg

TAGBLATT ANZEIGER: Herr Rumberg, Sie haben an Ihrer Hochschule das Projekt „Von der Theorie zur Praxis: Die Postwachstumstheorie in einer 30-Tage-Challenge“ durchgeführt. Was war das?

Michael Rumberg: Das aktuelle Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell in Deutschland und der westlichen Welt sieht sich vielfältigen Herausforderungen gegenüber. Die ökonomische Situation ist gekennzeichnet von hoher Staatsverschuldung, zunehmend ungleicher Einkommensverteilung und befristeten Arbeitsverträgen. Aus ökologischer Sicht bildet die Suche nach Lösungen angesichts des Klimawandels, des Verlusts an Biodiversität und der immer größer werdenden Waren- und Abfallströme eine Daueraufgabe. Schließlich stellen sich zum Beispiel angesichts zunehmender Indikation psychischer Erkrankungen soziale Fragen.

Vor diesem Hintergrund haben unter Überschriften wie „Postwachstum“ oder „Suffizienz“ Autoren und Forscher verschiedener Disziplinen Gegenmodelle entwickelt, die darauf abzielen, genügsamer, unabhängiger und regionaler orientiert zu leben und zu arbeiten. Mit der 30-Tage-Challenge haben wir an der Hochschule Rottenburg Studierenden und Mitarbeitern Raum gegeben, auszuprobieren, inwieweit sich die vorgeschlagenen Konzepte der Postwachstumstheorie/-ökonomie in der Praxis umsetzen lassen. Das heißt, die Teilnehmer und Teilnehmerinnen haben auf Basis selbstgesteckter Ziele und mit Hilfe von einem Tagebuch zur täglichen Reflexion des Erreichten versucht, ressourcenschonender und umweltfreundlicher zu leben. Das Projekt ist aus einer Lehrveranstaltung heraus als Idee von Studierenden entstanden und wurde auch von drei Studierenden leitend umgesetzt. Finanziell gefördert wurde das Humus-Projekt durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg.

Wie viele haben daran teilgenommen?

Insgesamt haben sich 70 bis 80 Studierende und Mitarbeiter an dem Projekt beteiligt und über 40 Teilnehmer und Teilnehmerinnen haben mit dem Tagebuch in den 30 Tagen gearbeitet.

Was für Challenges wurden gewählt?

Die Teilnehmer haben sich Ziele in den vorgeschlagenen Bereichen Mobilität, Ernährung, Konsum sowie Leben und Wohnen ausgesucht. Bei der Mobilität zum Beispiel: mehr Strecken zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV zurückzulegen. Im Bereich Ernährung: der Verzicht auf Fleisch, mehr saisonale Produkte oder die Reduktion von Lebensmittelabfällen.

Haben sie durchgehalten?

Der Rücklauf an Tagebüchern zum Ende der 30-Tage-Periode lässt vermuten, dass circa 60 Prozent es geschafft haben, die selbstgesteckten Ziele für 30 Tage konsequent zu verfolgen. Aber auch bei denen, die es nicht durchgängig geschafft haben ihre Ziele zu erreichen, hat sich durch die Challenge der Blick auf diese Themen gewandelt.

Gibt es da für uns Verbraucher praktikable Ergebnisse?

Ja, in jedem Fall. Es ist sehr deutlich geworden, dass die aktuellen Rahmenbedingungen es sehr schwer machen, durchweg genügsam und ressourcenschonend zu leben. Schon wenn Sie einen Supermarkt betreten, ist klar, dass Sie Abfall mit nach Hause nehmen. Werbung und Sonderangebote verlocken ständig zu Extraeinkäufen. Konsequent die üblichen Anbieter und Lieferketten zu umgehen, ist sehr aufwendig. Die Teilnehmer haben auch gespürt, dass es einfacher ist, in einer Gruppe das Projekt anzugehen als für sich alleine. Und es ist deutlich geworden, dass es sinnvoller ist, weniger Ziele zu verfolgen. Bei zu vielen Zielen steigt die Gefahr zu scheitern, weil man überfordert ist.

Hatten Sie selber auch eine Challenge gewählt? Und mit Erfolg durchgeführt?

Ja, ich habe auch teilgenommen. Manche Ziele – zum Beispiel weniger zu konsumieren oder Dinge lieber zu reparieren als neu zu erwerben, habe ich ganz erfolgreich verfolgt. Beim Thema Mobilität aber bin ich teilweise gescheitert. Mit dem Fahrrad und Anhänger kann man vieles auch ohne Auto erledigen. Bei längeren Strecken im ländlichen Raum kam mir des Öfteren der Mangel an guter Versorgung mit öffentlichem Nahverkehr, aber auch meine eigene Bequemlichkeit in die Quere.

Fragen von Angelika Brieschke

Zum Abschluss des Projekts wird der Umweltwissenschaftler Michael Kopatz am morgigen Donnerstag, 6. Dezember, um 18 Uhr einen Gastvortrag in der Aula der Rottenburger Hochschule (Schadenweilerhof) halten. Thema: „Nachhaltig leben – erlöst endlich die Konsumenten“.

Weitere Informationen zur 30-Tage-Challenge gibt es unter

www.hs-rottenburg.net