Die Schrift, die es auf den Mond schaffte

Tübinger Typografien: Futura

10.07.2019

Die Futura-Großbuchstaben der Tübinger Buchhandlung Gastl sind vertraut und gut ausgesucht. Bild: Barbara Honner

Die Futura-Großbuchstaben der Tübinger Buchhandlung Gastl sind vertraut und gut ausgesucht. Bild: Barbara Honner

Ernst Bloch, Hans Mayer und Walter Jens waren gute Freunde und berühmte Kunden der geisteswissenschaftlichen Buchhandlung, die 1949 von „Fräulein“ Julie Gastl und Gudrun Schaal gegründet wurde und heute in der Neuen Straße 8 residiert.

Die „GASTL“-Großbuchstaben sind uns Tübingern sehr vertraut und gut ausgesucht. Denn die Futura des Grafikdesigners, Typografen und Lehrers Paul Renner (1878–1956) markiert den Aufbruch in eine neue Epoche der Gestaltung. Sie beeinflusste als Prototyp der geometrischen und serifenlosen Linear-Antiqua nicht nur das Bauhaus, sondern Grafiker auf der ganzen Welt und gilt als Schrift des Wirtschaftswunders der 1960er Jahre. Ja, die Weltschrift Futura hat es sogar bis auf den Mond geschafft. Apollo 11 hinterließ am 21. Juli 1969 – vor 50 Jahren – eine Tafel mit einem in der Futura gesetzten Text, der die friedliche Absicht der Mission bestätigte.

1924 legte Renner die erste Entwürfe vor. Da besaß die Schrift noch exzentrische Schriftzeichen, welche später aber überarbeitet wurden. Renner folgte – wie die Bauhauskollegen in Dessau – der Idee, mit Lineal und Zirkel eine moderne und formalästhetisch perfekte Schrift zu entwerfen. Dabei orientierte er sich an den antiken Inschriften wie der römischen Capitalis Monumentalis („Trajan“ im TAGBLATT ANZEIGER vom 23.5.2018) und verfolgte dabei eine bewusste Abkehr von traditionellen Schriftformen.

1928 erschien die Futura bei der renommierten Bauerschen Gießerei in Frankfurt, die großen Anteil an der Verbreitung hatte. Futura: Der Name sollte Programm sein. Doch zunächst war für die Nationalsozialisten diese Schrift eine „ideologische Abscheulichkeit“. Sie verunglimpften den Avantgardisten Renner als Kulturbolschewisten und verhafteten ihn 1933 direkt nach einem Seminar an der „Meisterschule für Deutschlands Buchdrucker“ in München, deren Leitung er seit 1927 inne hatte. Nach seiner Entlassung emigrierte er in die Schweiz und lebte dort zurückgezogen als Maler.

Aber Renners Futura war nun ein Renner und nicht mehr aufzuhalten. Auf dem Höhepunkt seiner Macht begriff Hitler, dass in den besetzten Ländern niemand die gotische Schrift lesen konnte und mochte. Nach dem „Normalschriftenerlass“, jener opportunistischen Hinwendung zu den humanistischen Schriftformen, bedienten sich sogar die Nazis Renners Futura. Noch im selben Jahr 1941 zierte sie den offiziellen Katalog der jährlichen Großen Deutschen Kunstausstellung.

Mit der Futura haben wir in Deutschland immer gelebt: unter anderem von Anfang der 1970er-Jahre bis 1997 mit dem Tagesschau-Logo und von 1990 bis 2001 mit ihren Ziffern und Zeichen auf unseren Banknoten (Deutsche Bundesbank). 1988 versuchte der Schweizer Adrian Frutiger mit seiner Avenir (französisch: Zukunft) die bessere Futura (lateinisch: Zukunft) zu entwerfen. Aber welche Schrift kann schon von sich behaupten, auf eine 500-seitige „Biografie“ blicken zu können, die in keiner Typografen-Bibliothek fehlen dürfte (Futura, Verlag Hermann Schmidt). Barbara Honner

Zum Artikel

Erstellt:
10.07.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 24sec
zuletzt aktualisiert: 10.07.2019, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen