Dekorative Rundungen

Tübinger Typografien: Hobo

Nicht unerwähnt bleiben darf in unserer kleinen Serie der „Tübinger Typografien“ die Aufschrift von Hinrichs Teehus in der Froschgasse. Sie ist einzigartig in Tübingen und besitzt einen hohen Wiedererkennungswert.

10.04.2019

Von Barbara Honner

Hinrichs Teehus und die Hirsch Begegnungsstätte feiern am Samstag, 4. Mai, zwischen 11 und 15 Uhr gemeinsam in Tübingen ihre Gründung vor 40 Jahren. Im Hirsch und vor der Johanneskirche gibt es Musik von Off Track, Kabarett mit Thommis Teatime sowie Tanz zum Zuschauen und Mitmachen und noch viel mehr. Auch für das leibliche Wohl wird gesorgt. Bild: Barbara Honner

Hinrichs Teehus und die Hirsch Begegnungsstätte feiern am Samstag, 4. Mai, zwischen 11 und 15 Uhr gemeinsam in Tübingen ihre Gründung vor 40 Jahren. Im Hirsch und vor der Johanneskirche gibt es Musik von Off Track, Kabarett mit Thommis Teatime sowie Tanz zum Zuschauen und Mitmachen und noch viel mehr. Auch für das leibliche Wohl wird gesorgt. Bild: Barbara Honner

Der Ostfriese Hinrich Boekhoff hatte im Mai 1979 gegenüber der Johanneskirche ein Teefachgeschäft eröffnet, das Teegenuss mit Kultur und einer der Alternativbewegung gemäßen nachhaltigen Lebenshaltung verband. Der Schriftzug mit seinem reetgedeckten Friesenhaus über der Eingangstüre wurde nie einem „Relaunch“ unterzogen. Das Ensemble war von Beginn an im Einklang mit der Geschäftsidee.

Seit damals also erscheint die Aufschrift in der an den Jugendstil angelehnten Schrift Hobo (1910) von Morris Fuller Benton (1872 bis 1948). Das Besondere an dieser dekorativen Schrift sind ihre sympathischen Rundungen und das Fehlen von Unterlängen (g, j, p). Diese treten bei Hinrichs Teehus nicht in Erscheinung. Man unterstellte Benton eine große Portion Humor, als er mit dieser Schrift an die Öffentlichkeit ging. Im Gegensatz zum Friesenhaus in der Teehus-Aufschrift, das Heimat und Sesshaftigkeit vermittelt, bezeichnet der Name Hobo die heimatlosen nordamerikanischen Wanderarbeiter, die während der großen Depression in den 1930er-Jahren gerne Güterzüge zum Reisen benutzten. Der Schriftsteller Jack London war ihr berühmtester Vertreter.

Morris Fuller Benton kam aus einer amerikanischen Schriftschneiderfamilie und war von 1900 bis 1937 Design-Direktor von American Type Founders (ATF), einem der größten Schriftanbieter der Welt. Als guter Zeichner hatte er zunächst ein Maschinenbaustudium absolviert. Seine Kenntnisse kamen der ATF bei der Weiterentwicklung und Perfektionierung diverser Stempelschneide- und Matrizengraviermaschinen zugute. Fuller war aber nicht nur ein erfolgreicher Ingenieur, er war vor allem ein äußerst talentierter Schriftenentwerfer und entwickelte sich bald zu einem der besten Typografen Amerikas. Wie tüchtig und vielseitig Benton war, sehen wir, wenn wir sein bemerkenswertes Werk betrachten. Ihm verdanken wir außer der Hobo zahlreiche Schriften, die nichts von ihrer Schönheit und Ausgewogenheit verloren haben und zu Klassikern geworden sind. Barbara Honner

Unter dem Titel „Altstadtschriften: Tübinger Typografien“ hat Barbara Honner 2017 beim Tübinger Bürger- und Verkehrsverein eine umfassende und reich bebilderte Studie veröffentlicht.