Orientalisches Flair

Ungewöhnliche Klangverfremdung mit dem Indira Quartet

Kultursommer im Schirm-Areal in Kirchentellinsfurt: Das kleine Festival, das am kommenden Samstag mit dem Konzert der Weltmusikband Indira Quartet um die indische Sängerin Fauzia Maria Beg endet, wird von Stefan Hartmaier und dem Verein Camp initiiert sowie im und vor dem alten Kesselhaus der ehemaligen Textilfabrik veranstaltet.

09.09.2020

Fauzia Maria Beg ist die beeindruckende, indische Sängerin des Indira Quartets. Bild: Jürgen Spieß

Fauzia Maria Beg ist die beeindruckende, indische Sängerin des Indira Quartets. Bild: Jürgen Spieß

Kirchentellinsfurt. Wie ausgefallen darf etwas sein, um trotzdem noch das Publikum mitzunehmen? Können die exotischen Klänge eines Waterphones oder metallener Glockenschalen in Verbindung mit den vertrackten Rhythmen eines elektronischen Streichinstruments noch als Konzert durchgehen?

Die beiden Fragen, soviel sei schon mal verraten, können uneingeschränkt mit „Ja“ beantwortet werden. Denn die aus Mumbai stammende und in Pfrondorf lebende Sängerin Fauzia Maria Beg, der Tübinger E-Cellist Fried Dähn, der Saxofonist Frank Kroll und der Stuttgarter Schlagzeuger und Perkussionist Uwe Kühner verstehen es, indische Musik mit der klanglichen Skrupellosigkeit eines E-Cellos und den jazzigen Tönen eines Sopransaxofons und einer Bassklarinette zu verbinden und eine ungewöhnliche und vielgestaltige Performance zu initiieren.

Mit einer nicht alltäglichen Verbindung von thailändischen Gongmelodien, indischem Gesang und E-Cello-Einlagen begibt sich das Quartett auf Spurensuche: mit einem Schlagzeuger, der mit Hilfe verschiedener Schlag- und Rasselinstrumente westliche und östliche Perkussionstechniken miteinander verbindet, mit einem E-Cellisten und einem Saxofonisten, die im Zusammenspiel eine enorme anarchische Kraft entwickeln und mit einer Sängerin, die ganz auf Überwältigung setzt und damit der Jahrhunderte alten indischen Musik sehr nahe kommt. Mit ausschließlich eigenen Kompositionen, vorwiegend von Kühner, schafft das Indira Quartet eine eigene Textur der Weltmusik und lehnt sich an verschiedene Kulturen und Traditionen an, ohne folkloristisch zu werden.

Obwohl man bei den Texten kein Wort versteht, wird schnell klar: Hier wird nichts erzählt, hier wird Höheres angerufen. In ruhiger und gespannter Atmosphäre initiiert Fauzia Maria Beg mit kraftvoller Stimme abenteuerliche Vokalimprovisationen, die sich für unsere Ohren fremd und gleichzeitig vertraut anhören. Zu den stehenden, sphärischen Melodien gesellen sich abwechselnd getrommelte Einwürfe von Uwe Kühner sowie die Ton- und Geräuschkollagen eines von Fried Dähn mit dem Bogen bearbeiteten E-Cellos. Avantgarderock verschmilzt hier mit Minimalmusik, indische mit südamerikanischen Rhythmen, Afrikanisches mit Europäischem, Jazz mit Neuer Musik.

Fauzia Maria Beg konzentriert sich aber nicht nur auf den klassischen indischen Gesang, sondern ergänzt ihn immer wieder durch traditionelle Tanzeinlagen. Sie wechselt vom sanften Grundton zum tablamäßigen Sprechgesang, ab und an greift sie auch zu einer kugeligen Tontrommel. Dabei werden die komplexen Rhythmen der indischen Musik in immer dichter werdenden Improvisationen zu einem tranceartigen Klangteppich verwoben. Beeindruckend auch, wie unter den flinken Händen des Perkussionisten Uwe Kühner exotische Instrumente wie thailändische Gongs oder das aus Metallstäben zum Korb geformte Waterphone ein Eigenleben mit einer Vielfalt an Klängen entfalten.

Das im Jahr 2009 beim Creole-Weltmusik-Wettbewerb mit dem Prix Courage ausgezeichnete Ensemble präsentiert eine abwechslungsreiche Reise durch außergewöhnliche Klangwelten, die sich niemals in gängige Kategorien einordnen lässt. Jürgen Spieß

Das Indira Quartet spielt am Samstag, 12. September, 20 Uhr, in der ehemaligen Textilfabrik Schirm in Kirchentellinsfurt.

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Erstellt:
09.09.2020, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 09.09.2020, 01:00 Uhr

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