Ein Gesetz löst nicht alle Probleme

Urs Konstantin Rouette über Nachhaltigkeit und soziale Standards bei Marc Cain

Urs Konstantin Rouette setzt auf freiwillige soziale und ökologische Standards in der Textilindustrie. Wir sprachen mit dem Geschäftsführer Design, technische Entwicklung, Fertigung & Beschaffung bei Marc Cain in Bodelshausen über die Vor- und Nachteile eines Lieferkettengesetzes.

02.12.2020

Urs Konstantin Rouette ist sich sicher, dass die Verbraucher beim Kauf von Modeartikeln jetzt und auch in Zukunft auf nachhaltige Materialien und faire Arbeitsbedingungen achten.Bild: Marc Cain

Urs Konstantin Rouette ist sich sicher, dass die Verbraucher beim Kauf von Modeartikeln jetzt und auch in Zukunft auf nachhaltige Materialien und faire Arbeitsbedingungen achten.Bild: Marc Cain

TAGBLATT ANZEIGER: In welchen Ländern produzieren Sie Ihre Kleider?

Urs Konstantin Rouette: Marc Cain ist eines der wenigen Textilunternehmen, das an einer eigenen Produktion am Standort in Deutschland festhält. Wichtige Voraussetzung dafür ist ständige Innovation, Investition und technologischer Fortschritt. Das Headquarter in Bodelshausen verfügt über eine eigene Strickerei, Druckerei, Ausrüstung und Näherei. Mit der „3-D Knit & Wear“-Technologie können Kollektionsteile in nur einem Arbeitsgang direkt in der hauseigenen Strickerei hergestellt werden. Sie tragen das Label „100% Made in Germany“, da die anschließende Ausrüstung ebenfalls im Headquarter stattfindet. Außerdem werden auf den 100 Flachstrickmaschinen und 7 Rundstrickmaschinen Strickwaren hergestellt, die mit dem Label „Knitted in Germany“ ausgezeichnet werden können. Diese Artikel werden nach dem Strickvorgang anschließend im europäischen Ausland (u.a. Ungarn, Rumänien) weiterverarbeitet. Neben der europäischen Produktion ist auf Grund des hohen Qualitätsanspruchs und der dort vorhandenen Expertise auch die Zusammenarbeit mit außereuropäischen Ländern wichtig. So beziehen wir beispielsweise Kaschmir oder hochwertige Daunen größtenteils aus China. Top Qualität, die unserem Anspruch als Premiummarke gerecht wird, erhält man nur aus Top Betrieben. Marc Cain ist es bei der Zusammenarbeit dabei immer wichtig, auf Augenhöhe mit den Lieferanten und Partnern in den Dialog zu treten und wir pflegen langjährige und vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen. Zusammengefasst heißt dies, dass Marc Cain neben der Produktion in Deutschland auch in weiteren Produktionsbetrieben in West-, Süd-, und Osteuropa, sowie in ausgewählten Betrieben in Asien aktiv ist.

Befürworten Sie das Lieferkettengesetz?

Dieses Gesetz ist Chance und Herausforderung zugleich. Chance insofern, weil wir als Modeunternehmen unsere menschenrechtliche Verantwortung transparenter, messbarer und wirksamer machen können. Denn es ist davon auszugehen, dass die Kunden in Zukunft noch bewusster konsumieren werden und schlichtweg voraussetzen, dass Produkte, die sie kaufen, unter menschlich und ökologisch anständigen Bedingungen hergestellt werden. Herausfordernd ist dieses Gesetz vor dem Hintergrund, dass wir eine EU-weite Lösung brauchen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Momentan ist eine Übergangsfrist von drei Jahren geplant, damit alle Unternehmen die Anforderungen des Gesetzes in ihre Beschaffungsstrategien und -prozesse integrieren können. Das geht bei vielen nicht von heute auf morgen, dafür ist die Kette zu komplex.

Was würde sich in Ihrem Unternehmen nach Inkrafttreten des Lieferkettengesetzes ändern?

Durch unser strategisches CR-Management sind wir soweit gut auf die Anforderungen des Lieferkettengesetzes vorbereitet. Sicherlich müssen einige Prozesse noch dokumentiert und ganzheitlich ausgerollt werden, dennoch lässt sich das Lieferkettengesetz gut in unsere aktuellen Maßnahmen zur menschenrechtlichen Verantwortung integrieren. Eine gesetzliche Verpflichtung wird immer nur die Minimum-Anforderung abdecken können. Freiwillige Maßnahmen werden also weiterhin ein wichtiger Baustein sein, um die Branche mit Blick auf verantwortungsvolles Lieferkettenmanagement voranzutreiben. Nachhaltigkeit hört nie auf, es handelt sich um einen Prozess, an dem wir stetig und mit hohem Engagement weiterarbeiten werden. So engagiert sich Marc Cain im Rahmen von umfassenden Nachhaltigkeitsaktivitäten freiwillig für die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards entlang der Lieferkette. Unter anderem sind wir in diesem Jahr der „Better Cotton Initiative“ (BCI) beigetreten, wodurch wir in der Breite unsere Standardqualitäten Schritt für Schritt mit nachhaltigerer Baumwolle beziehen werden können. Diese werden mit immer mehr Artikeln aus Bio- und recycelter Baumwolle ergänzt. In der Saison Frühjahr/Sommer 2021 startet Marc Cain zunächst mit Sustainable Produkten aus Denim, in Zukunft wird die Range fortlaufend ausgeweitet mit Artikeln aus anderen Produktgruppen. Die „Rethink Together“-Artikel sind zusätzlich zu den produktübergreifenden Nachhaltigkeitsaktivitäten entlang der Lieferkette, also vom Material bis hin zur Ausrüstung, besonders umweltschonend. Dabei verfolgen alle „Rethink Together“-Produkte einen ganzheitlichen Ansatz – sie bestehen aus nachhaltigeren Materialien und durchlaufen innovative, ressourcensparende Produktionsprozesse, wodurch zum Beispiel weniger Wasser und weniger Chemikalien verwendet werden.

Wer kontrolliert bei Ihnen die Arbeitsbedingungen und die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards im Ausland? Haben Sie eine(n) Umweltbeauftragte(n)?

Wir haben seit Anfang 2019 eine„Corporate Responsibility“-Abteilung, die sich um das Risikomanagement entlang der Lieferkette kümmert. Sie hat sich im letzten Jahr intensiv mit unseren Geschäftsprozessen auseinandergesetzt, eingesetzte Materialien und Lieferanten analysiert. Im Oktober letzten Jahres haben wir soziale und ökologische Anforderungen mit unseren direkten Geschäftspartnern vertraglich festgelegt. Diese werden nun schrittweise auf deren Einhaltung überprüft. Hierbei arbeiten wir mit internationalen Brancheninitiativen wie „amfori BSCI“ zusammen, welche die Bedingungen vor Ort überprüfen. Zusätzlich setzen wir auch bei der Auswahl unserer Rohstoffe zunehmend auf nachhaltigere Materialien und vertrauen hier auf international anerkannte Zertifizierungen und Standards.

Wie hoch ist der Lohn der Produktionsmitarbeiter im Ausland? Ist dieser vertretbar im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen und auf die Lebenssituation der Mitarbeiter im jeweiligen Land?

Eines der ersten Schritte der CR-Abteilung war es, der „amfori BSCI“-Initiative beizutreten, um anhand eines branchenweiten Standards die Produktionsstätten auf sozialverantwortliches Handeln zu überprüfen. Dabei werden nicht nur sogenannte Risikoländer auditiert – Marc Cain geht hier noch einen Schritt weiter und überprüft auch Nicht-Risikoländer, so beispielsweise Betriebe mit Sitz in Europa. Auf diese Weise konnten wir bereits 70 Prozent unserer Produktionsbetriebe auditieren – und es werden sukzessive mehr. Wir überprüfen also durch unabhängige Dritte, ob bestimmte Sozialstandards auch in unseren Produktionsbetrieben eingehalten werden. Selbstverständlich möchten wir die Mitarbeiter und deren Expertise als Fachkräfte in den Produktionsbetrieben halten, welches nur bei angemessenen Lohnverhältnissen gelingt. Darauf achten wir bei unseren Geschäftsbeziehungen und überprüfen dies beispielsweise in solch einem Sozialaudit.

Fragen von Anita Schäfer

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Erstellt:
02.12.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 44sec
zuletzt aktualisiert: 02.12.2020, 01:00 Uhr

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