Der Kommentar

Lokalgeschichte als Detektivarbeit

29.06.2022

Von Angelika Brieschke

Vergangene Woche hatte ich das Vergnügen, bei einem Vortrag von Tilmann Marstaller dabei gewesen zu sein. Der Schwäbische Heimatbund hatte den Bauforscher zu seiner Mitgliederversammlung eingeladen, um über seine neuesten Ergebnisse zum Tübinger Rathaus zu berichten. Und das war toll.

Bei der letzten Sanierung des Rathauses in den Jahren 2012 bis 2016 hatte Marstaller die Gelegenheit, auch in den tiefsten Tiefen dieses fast 600 Jahre alten Gebäudes im Dreck zu wühlen. Sprich: im Bauschutt vergangener Vorgänger(um)bauten. Da kamen Mauern mit merkwürdigen Ausrichtungen, Steinbögen ohne erkennbare Funktion, unerwartete Säulenfundamente und Löcher und Auffüllungen – und und und – zum Vorschein.

Ich muss zugeben: das Meiste hatte ich bereits am nächsten Morgen schon wieder vergessen. Aber in Erinnerung geblieben ist, dass es ein spannender Abend im Rätselmodus war, weil Marstaller seine Forschungsarbeit wie eine Detektivgeschichte erzählen kann. (Denn mal ehrlich: Was ist denn eigentlich so spektakulär daran, dass unter dem sehr alten Tübinger Rathaus ein noch älterer Keller liegt?)

So ähnlich erging es mir, als ich vergangenen Herbst einen Parforce-Spaziergang mit Marstaller und 80 anderen Zuhörenden durch Lustnau machte. Der Spaziergang ging einmal quer durch Straßen und Zeit und er dauerte fast drei Stunden, obwohl der Bauforscher unterwegs den eigentlich eingeplanten Abstecher zum Lustnauer Klosterhof verwarf.

Auch da erinnere ich mich nicht mehr an all zu viele konkrete Fakten. (Ich habe vor allem im Gedächtnis, wie sich der frühere Tiefbauamtsleiter Albert Füger als Mitorganisator des Spaziergangs tapfer mit dem schweren Lautsprecher im Korb abmühte, den er bei sehr warmen Temperaturen von Ort zu Ort weiter trug.)

Doch, eines fällt mir nun wieder ein: Früher konnte man quer durchs Tübinger Rathaus durchfahren, vom Marktplatz aus direkt zum Platz dahinter. Ein Beleg dafür, dass es einen Marktplatz sowohl vor als auch hinter dem Rathaus gab. Ist das nicht wirklich erstaunlich?

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Erstellt:
29.06.2022, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 58sec
zuletzt aktualisiert: 29.06.2022, 01:00 Uhr

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