Der Kommentar

Viel Moos für nichts

13.06.2018

Von Angelika Brieschke

Im vergangenen Herbst hat die Stadt Tübingen ihrer Möblierung im öffentlichen Raum eine weitere Attraktion hinzugefügt, mit der diskussionsfreudige Menschen noch viel Spaß haben werden: Eine drei mal drei Meter große Mooswand mit 1600 Blumentöpfchen am unteren Ende der Mühlstraße, die laut Herstellerlabor so viel Feinstaub und Stickoxide aus der Luft filtern können soll wie 275 Bäume. Kaum zu glauben, aber warum eigentlich nicht? Aus Laboren sind schon die wundersamsten Erfindungen gekommen: Porzellan zum Beispiel, das Antibiotikum, die Zündkerze, Gummibärchen.

Ist doch eine schöne Idee, dass ein vertikaler Kleinwald direkt an einer vielbefahrenen Straße die Lösung für die von uns geschaffenen Umweltprobleme bringen könnte. Schließlich sind wir dringend auf bahnbrechende Forschungen angewiesen. Denn, dass die Menschheit durch Verzicht die Welt retten wird, daran glaube ich nicht mehr seit Erfindung der Billigflieger.

Nur scheint leider die Mooswand die Welt auch nicht zu retten, nicht einmal die Luft in der Mühlstraße. Zum einen war von Anfang an fraglich, ob die versprochenen Laborwerte auch im Realbetrieb zu erreichen sein werden. Zum anderen mussten in Tübingen vergangene Woche sogar schon alle 1600 Moostöpfchen ausgetauscht werden. Nicht einmal einen Winter hatten sie überstanden.

Diese Mooswand ist nicht nur groß und hässlich, sondern vermutlich auch sehr nutzlos. Und sie kostet zudem „a Geld“, wie der Schwabe sagen würde. Kostenpunkt: 30 000 Euro, bisher. Wer über diesen Betrag leichtfertig hinwegsieht, kann sich wohl nicht mehr an die Zeiten erinnern, als die städtische Haushaltslage so schlecht war, dass sich der Tübinger Gemeinderat in Pfrondorf in Klausur einschließen und grauenvolle Sparmaßnahmen durchziehen musste. Bis es quietschte – und darüber hinaus.

Zyniker könnten auf die Idee kommen, dass es manchmal gar nicht so schlecht ist, wenn die öffentliche Hand wenig Geld zur Verfügung hat. Mein Vorschlag für die nächsten frei verfügbaren 30 000 Euro wäre: Einfach den 100 Mühlstraßenbewohnern ein Wellness-Wochenende in einem Luftkurort-Hotel spendieren. Das wäre für deren Gesundheit ganz sicher eine nachhaltigere Verbesserung als diese Wand.