Lauter Zielkonflikte

Was die neue Düngeverordnung für die Bauern bedeutet

Die Sache hat nicht nur einen sperrigen Titel: „Verordnung über die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis beim Düngen“, sondern auch einen Kurznamen: „Düngeverordnung“. Vergangenen Juli ist sie in Kraft getreten. Und sie macht den Bauern das Leben schwer.

14.03.2018

Von Fred Keicher

Die Erweiterung der Sperrfristen für die Ausbringung von Jauche und Gärsubstrat aus Biogasanlagen stößt bei den Bauern im Kreis Tübingen auf Kritik. Archivbild: Sommer

Die Erweiterung der Sperrfristen für die Ausbringung von Jauche und Gärsubstrat aus Biogasanlagen stößt bei den Bauern im Kreis Tübingen auf Kritik. Archivbild: Sommer

So sagt Jörg Kautt, Bauer in Immenhausen und Kreisobmann des Bauernverbandes. Es sind die Verschärfungen im Vergleich zur Düngeverordnung von 1997, die Kautt besonders kritisiert. Er muss Anfang des Jahres einen „Düngerbedarfsplan“ aufstellen. An den ist er gebunden. „Wir arbeiten aber immer noch in der Natur. Und da kann es Überraschungen geben“, sagt er. Dass beim Weizen etwa im Sommer nachgedüngt werden müsse, damit er das gewünschte Eiweiß bilden kann. Der Eiweißgehalt des Weizens ist ein Qualitätsmerkmal. „Wir laufen Gefahr, dass wir Weizen produzieren, den uns die Bäcker nicht mehr abnehmen.“

Der Grundgedanke der Verordnung sei einfach, sagt Katharina Weiß. Sie ist beim Amt für Landwirtschaft des Tübinger Landratsamtes für die Pflanzenproduktion zuständig. „Gedüngt werden soll dann, wenn die Pflanzen es brauchen.“ Also nicht im Herbst, wenn die Winterruhe der Vegetation anfängt, der ausgebrachte Dünger ausgewaschen wird und als Nitrat ins Grundwasser wandert. Sondern im Frühjahr bei Beginn der Wachstumsperiode.

Allerdings ist das Kriterium, wann die Pflanzen den Dünger brauchen, nicht eindeutig. Beim Weizen gebe es zwei Phasen, erklärt Weiß. Eine im Frühjahr, wenn das Ertragsniveau bestimmt wird, die andere im Frühsommer, wenn der Weizen blüht und der Eiweißgehalt festgelegt wird. Mangelnde Versorgung mit Stickstoff führt dann unweigerlich zu minderen Qualitäten. Das sei keineswegs nur eine theoretische Möglichkeit. Es hat einen Feldversuch in Dänemark gegeben. Die dortige Fassung der Düngeverordnung hatte die Möglichkeiten der Düngung drastisch eingeschränkt. Danach hatte Dänemark jahrelang mit der Qualität von Brotgetreide zu kämpfen gehabt, berichtet Weiß.

Welches Getreide braucht der Bäcker? Welches Brot wünscht sich der Verbraucher? Luftiges und lockeres Brot bekommt der Verbraucher nur, wenn der Eiweißanteil des Mehles hoch ist, also wenn das Getreide ausreichend gedüngt worden ist. Der Verbraucher steht also vor einem Zielkonflikt, sagt Weiß: Will er Einschränkungen im Düngereinsatz? Nimmt er verminderte Brotqualität in Kauf?

Eigentlich sei die neue Düngeverordnung gar nicht für Verhältnisse wie im Kreis Tübingen, sondern für norddeutsche Verhältnisse gemacht, sagt Weiß. Die Erweiterung der Sperrfristen für die Ausbringung von Jauche und Gärsubstrat aus Biogasanlagen ziele auf die dortigen Verhältnisse. Die Folge sei, dass die Betriebe gewaltige Mittel in die Zwischenlagerung von Jauche und Gärsubstrat investieren müssen. Finanzieren könnten das große Kapitalgesellschaften viel besser als bäuerliche Betriebe. „In der Konsequenz wirkt die Düngeverordnung dem häufig von Politikern beschworenen Idealbild der bäuerlichen Landwirtschaft direkt entgegen“, so das Resümee von Landratsamtsmitarbeiterin Weiß. Fred Keicher

(Siehe den Kommentar Seite 2)

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Erstellt:
14.03.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 17sec
zuletzt aktualisiert: 14.03.2018, 01:00 Uhr

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