Lange Bauphase

Was sich bei der Ammertalbahn so alles tut

Alexander Bleher ist der örtliche Betriebsleiter Ammertalbahn in Tübingen. Der TAGBLATT ANZEIGER sprach mit ihm über Gegenwart und Zukunft des Bahnfahrens im Ammertal.

14.08.2019

Was sich bei der Ammertalbahn so alles tut

Herr Bleher, die Ammertalbahn fährt derzeit nicht wegen Baumaßnahmen für die Regionalstadtbahn. Ist Ihnen jetzt langweilig?

Nein. Als Betriebsleiter bin ich auch für die Baustellenkoordination zwischen Bauarbeiten und Bahnbetrieb zuständig. Jetzt ist zwar im Moment kein Bahnbetrieb, aber es gibt ein Regelwerk für jede Baumaßnahme, also was wie gemacht werden kann. Das erstelle ich.

Was sind denn Ihre Aufgaben ohne Baustelle?

Als örtlicher Betriebsleiter hier bin ich der fachliche Vorgesetzte für 90 Tübinger Lokführer und 15 Fahrdienstleiter auf dem Stellwerk Tübingen – für den Bereich Ammertalbahn. Disziplinarisch sind die Lokführer aber nicht mir, sondern dem Leiter Fahrpersonal unterstellt. Ich bin zuständig für alle fachlichen Belange, die mit der Ammertalbahn zu tun haben. Ein Beispiel: Wenn aus irgendwelchen Gründen jeder Zug in Entringen zwei Minuten lang warten soll, dann gebe ich dafür die Regelung raus.

Neben solchen Fahrplananordnungen und der Erstellung betrieblicher Regelwerke bin ich für die Einhaltung der Verträge zwischen dem Zweckverband ÖPNV im Ammertal und der DB ZugBus (RAB) zuständig, für Qualitätsprüfungen, für Statistiken und Berichte zum Beispiel über Pünktlichkeit oder Störungen und für vieles mehr.

Für die Ammertalbahn braucht man 90 Lokführer?

Die 90 Tübinger Lokführer fahren nicht nur die Ammertal-strecke, sondern auch die Ermstalbahn, die Strecke der Zollernbahn bis Aulendorf, über Horb nach Pforzheim und den Regionalverkehr nach Stuttgart. Also alle Bahnstrecken, die von Tübingen ausgehen.

Sind Sie auch Lokführer?

Ja. Der Lok-Führerschein war eine der Voraussetzungen für meine Stelle als Betriebsleiter.

Ich habe nach dem Abitur Lokführer in Stuttgart bei der DB gelernt und anschließend sechs Jahre lang in Tübingen als Lokführer gearbeitet. Dann habe ich in zweieinhalb Jahren im Fernstudium nebenher den Betriebswirt erlernt.

Aber ich bin auch jetzt noch manchmal als Lokführer unterwegs. Meist werde ich kurzfristig eingesetzt, je nach Bedarf als eine Art Springer. Um den Lokführerschein behalten zu können, muss man im Jahr mindestens 100 Stunden fahren. Das sind rund 16 Schichten im Jahr.

Wie lange geht denn eine Schicht bei Ihnen?

Unsere Schichten sind zwischen 6,5 und 12 Stunden lang.

Bei der Ammertalbahn fährt der erste Zug um 4.40 Uhr morgens in Tübingen los. Als Lokführer muss man eine Stunde vorher da sein, um den Zug vorzubereiten. Der letzte Zug kommt um 0.42 Uhr an und auch da muss der Lokführer noch gut eine Stunde arbeiten – den Zug tanken, zur Reinigung fahren und so weiter.

Bei uns ist also fast rund um die Uhr immer jemand da.

Was wird eigentlich gerade gebaut an der Ammertalbahn?

Dieses Jahr sind es Erdbaumaßnahmen, mit denen der Untergrund vorbereitet wird. Zum einen für die Teilstrecken, die zweigleisig ausgebaut werden sollen. Und zum anderen für die Masten, die für die Elektrifizierung der Ammertal gebraucht werden. Da muss dann rund alle 200 Meter ein Mast aufgestellt werden. Die Elektrifizierung selbst wird aber erst am Ende der Baumaßnahmen in drei Jahren kommen.

Warum wird die Ammertalbahn zweigleisig?

Die Ammertalbahn wird nicht durchgängig zweigleisig. Es wird an zwei Stellen Ausweichgleise geben: zwischen Tübingen-West und Unterjesingen auf einer Strecke von knapp zwei Kilometern, und von Entringen ab knapp drei Kilometern.

Mit den Ausweichgleisen können wir pünktlicher werden und schaffen eine Kapazitätserweiterung für die derzeit mit rund 550 Zugfahrten pro Woche vollständig ausgelastete Infrastruktur.

Im Moment müssen die Züge in Entringen aufeinander warten. Mit den zwei Gleisen können wir einige Minuten herausfahren, damit man den Anschluss in Herrenberg noch erreichen kann.

Wie lange werden die Bauarbeiten für die Regionalstadtbahn dauern?

Bis 2022. Bis dahin werden wir jedes Jahr einen Schienenersatzverkehr haben. Auch in dem Umfang wie dieses Jahr, also nicht nur zu Ferienzeiten, sondern auch während der Schulzeit. Wir werden aber versuchen, das Teilstück für den Schienenersatzverkehr möglichst kurz zu halten.

Interview / Bild: Angelika Brieschke