Tübingen

Wer mehr und wer weniger Grundsteuer zahlen wird

Alle, die Grundbesitz haben – Grundstücke ohne oder mit Gebäuden darauf –, haben sich mit der Neubewertung ihres Besitzes befassen müssen und dazu online ein einigermaßen kompliziertes Formular für das Finanzamt ausfüllen müssen.

27.09.2023

Von Angelika Brieschke

In der Gartenstadt im Tübinger Süden haben die kleinen Häuschen große Gärten zur Selbstversorgung. Die könnten zu einer wesentlich höheren Grundsteuer sorgen. Archivbild: Gebrüder Metz

In der Gartenstadt im Tübinger Süden haben die kleinen Häuschen große Gärten zur Selbstversorgung. Die könnten zu einer wesentlich höheren Grundsteuer sorgen. Archivbild: Gebrüder Metz

Der Grund dafür: Das Bundesverfassungsgericht hatte das bisher angewandte System der Grundbesitz-Bewertung für verfassungswidrig erklärt, da es gleichartige Grundstücke unterschiedlich behandele. Bis zum 1. Januar 2025 müssen die Bundesländer fertig sein mit der Reform. Ab da gilt dann die neue Bewertung. Seit einigen Monaten erhalten die Grundbesitzerinnen und Grundbesitzer ihre neuen Grundsteuermessbescheide von ihrem Finanzamt zugeschickt.

Der TAGBLATT ANZEIGER hat über dieses Thema mit dem Leiter der Fachabteilung Steuern der Universitätsstadt Tübingen, Dieter Saur, gesprochen.

TAGBLATT ANZEIGER: Manche Grundbesitzer, die ihren neuen Grundsteuermess-

bescheid bekommen, erschrecken, weil sie sich ausrechnen, dass sie ab 2025 sehr viel mehr Grundsteuer werden bezahlen müssen.

Dieter Saur: Die Tübinger Stadtverwaltung und der Gemeinderat sind sich einig, dass die neue Grundsteuer keine Steuererhöhung sein soll. Das kann der Gemeinderat über den Hebesatz regulieren. Jetzt liegt der Hebesatz in Tübingen bei 660, das ist sehr hoch. Ab 2025 wird er deutlich reduziert werden. Wir gehen davon aus, dass er mindestens halbiert wird, wahrscheinlich geht er sogar noch weiter nach unten.

Kann man denn sagen, für wen es teurer wird und für wen günstiger? Was ist zum Beispiel mit Häusern aus den 70er- und 80er-Jahren? Oder mit der berühmten Halbhöhenlage?

Pauschal ist das schwer zu sagen. Grundsätzlich werden freistehende Ein- und Zweifamilienhäuser eher teurer werden. Vor allem bei älteren Häusern wird da wahrscheinlich eine höhere Grundsteuer anfallen.

Dagegen werden Geschoss-Wohnungen deutlich günstiger werden. Da kann es in der Spitze einen Abschlag von 70 bis 80 Prozent geben.

Wieso?

Der neue Steuermessbetrag hängt nur davon ab, wie groß ein Grundstück und der dazugehörige Bodenrichtwert ist. Was auf dem Grundstück steht, wird nicht mehr bewertet.

Bisher war es so, dass für ein kleines, altes Haus aus den 50er-Jahren viel weniger Grundsteuer zu bezahlen war als für ein teures, sehr luxuriöses Haus mit viel Wohnfläche. Bei einem Grundstück, das überwiegend Wohnzwecken dient, wird bei der Berechnung des Grundsteuermessbetrages allerdings noch ein Abschlag von 30 Prozent vorgenommen – im Gegensatz zu unbebauten oder gewerblich genutzten Grundstücken.

Ab 2025 ist es so: Wenn die Grundstücke identisch gleich groß sind und denselben Bodenrichtwert haben, zahlen die Besitzer gleich viel. Ganz egal, was für ein Gebäude sich darauf befindet. Da wird die Leistungsfähigkeit der Eigentümer überhaupt nicht mehr berücksichtigt, weil ja die Bebauung nicht bewertet wird und es somit keine Rolle spielt, ob ein kleines oder großes Gebäude – das grundsätzlich höhere Baukosten hat – errichtet wird.

Das heißt, es könnte zum Beispiel für Hausbesitzer in der Tübinger Gartenstadt sehr teuer werden? Diese Siedlung ist ja Ende der 1930-Jahre mit kleinen Häuschen und großen Gärten zur Selbstversorgung gebaut worden.

Bei einzelnen Härten muss man schauen gucken. In Extremfällen wird es vielleicht einen Erlass geben. Hier sind die gesetzlichen Anforderungen allerdings sehr hoch.

Aber es ist schon so: Grundstücke mit großen Gärten werden deutlich teurer. Das ist die Konsequenz, wenn nur das nackte Grundstück als Grundlage für den Grundsteuermessbescheid herangezogen wird wie in Baden-Württemberg. Andere Bundesländer machen das anders.

Man muss aber auch abwarten, wie letztendlich der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg über die Reform entscheidet.

Sie gehen davon aus,
dass die Reform beim Verfassungsgericht landet?

Ja. Es haben schon viele gegen ihren Steuermessbescheid Einspruch eingelegt. Zuerst müssen jedoch die Finanzgerichte, also Finanzgericht und Bundesfinanzhof, entscheiden.

Fragen von Angelika Brieschke

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Erstellt:
27.09.2023, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 42sec
zuletzt aktualisiert: 27.09.2023, 01:00 Uhr

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