Der Kommentar

Wer will so einen Stadtlauf?

05.08.2020

Von Werner Bauknecht

Es ist amtlich – der Tübinger Erbe-Lauf findet statt. Das heißt: Ist das überhaupt der Erbe-Lauf? Ist das ein Stadtlauf, wie er seit 26 Jahren im Herzen der Tübinger Altstadt gelaufen wird?

Denn normalerweise rennen da dann über 2000 Läuferinnen und Läufer während des Umbrisch-provenzalischen Marktes vorbei an Tausenden Fans, die jeden über die Piste treiben mit ihren enthusiastischen Anfeuerungsrufen. Ein Lauffest – fürwahr.

Was die Organisatoren jetzt anbieten, ist ein beliebiger Lauf, der an einem beliebigen Tag innerhalb einer Woche an einem beliebigen Ort auf der Welt gelaufen werden kann. Es gibt nur eine Vorgabe: Der Lauf muss 10 Kilometer lang sein (oder 3,3 Kilometer für die Einsteiger). Sogar die Laufzeit muss von den Sportlern selbst gestoppt werden: Das Ergebnis, das über eine Smartphone-App oder eine GPS-Läuferuhr ermittelt wird, gibt man dann über ein Online-Portal in eine Liste ein.

Der Namenssponsor des Laufs, Christian Erbe, meinte gar, „dass so der Wettbewerbsgedanke noch weiter in den Hintergrund gedrängt werde als sonst.“ Er meinte das positiv. Und irrt.

Denn wenn ein Laufevent vom Wettbewerbsgedanken lebt, dann der Tübinger Stadtlauf. Man braucht sich nur mal mit den Läuferinnen und Läufer vor dem Start unterhalten. Da schwirren Bestzeiten, Planzeiten, Erinnerungen an das harte Vorbereitungstraining durch die Luft. Und selbst die, die „bloß ankommen“ wollen, wollen das möglichst schnell.

Im Grunde ist das ja gar kein Stadtlauf mehr, weil er nicht mal ansatzweise in der Stadt gelaufen wird. Nicht mal mehr ein Tübinger Lauf – die meisten werden die 10 Kilometer wohl dort runterschrubben, wo sie auch wohnen oder ihre Heimstrecken haben. Warum also veranstaltet die Uni gemeinsam mit der LAV in Coronazeiten so ein Event? Die Antwort „Weil wir es können“ verfängt hier nicht – denn sie können es ja nicht. Wenn so eine Veranstaltung erst mal ausfalle, sei es schwierig, sie danach wieder aufzunehmen, meinte der Tübinger Oberbürgermeister. Wer soll das beim Erbe-Lauf glauben? Umgekehrt wird es sein: Die Menschen freuen sich, wenn es nächstes Jahr dann (hoffentlich) wieder richtig losgeht. Es hätte nur eine Lösung gegeben: Absagen. Die Anmeldezahlen werden es zeigen.