Monatelanges Training für die Katz

Wie Tübinger Läufer und Läuferinnen der LAV bei der DM ausgebremst wurden

Die Top-Sportlerinnen und Top-Sportler der LAV Stadtwerke Tübingen hatten sich für die Deutschen Meisterschaften über 10 000 Meter qualifiziert und punktgenau vorbereitet – doch sollen sie alle zu Hause bleiben.

05.05.2021

Lorenz Baum von der LAV Tübingen (beim Tübinger Erbe-Lauf im Jahr 2018) mit neuer Bestzeit. Bild: Gerold Knisel

Lorenz Baum von der LAV Tübingen (beim Tübinger Erbe-Lauf im Jahr 2018) mit neuer Bestzeit. Bild: Gerold Knisel

Es war eine schwierige Aufgabe für Isabelle Baumann. Die Trainerin der Top-Läuferinnen und -läufer der LAV musste ihren Athleten beibringen, dass sie irgendwie für die Tonne trainiert hatten. Zumindest, was ihre Vorbereitungen auf das Frühjahrs-Highlight 2021 betrifft. Denn die Deutschen Meisterschaften über 10 000 Meter in Mainz am Sonntag fanden ohne Beteiligung ihrer Jungs und Mädels statt.

Sportlich hatten die Sportler die Qualifikation in der Tasche. Doch der Leichtathletikverband entschied aufgrund der in Mainz erhöhten Corona-Inzidenzen, nur noch Berufsathleten und -athletinnen und Kaderläufer einzuladen. Quali-Zeiten hin oder her – das spielte plötzlich keine Rolle mehr. Und das nur wenige Tage vor dem Event. So kam das Aus für Lorenz Baum, Katja Fischer, Hanna Gröber, Timo Göhler und Tony Tomsich.

Das Problem mit den Kadern: Während die Landesverbände anderer Bundesländer zügig ihre Kader definierten und sie zur DM schickten, gab es so etwas weder in Baden noch in Württemberg. Das hieß: Alle Bundesländer waren mit ihren Kadern am Start vertreten, nur die Läufer aus dem Südwesten der Republik waren nicht dabei.

Vor allem haut natürlich das Argument mit den Inzidenzen nicht hin. Denn erstens hatte der Veranstalter ein exzellentes Hygienekonzept, das ohnehin auf die Starterinnen und Starter ausgelegt war, die ursprünglich auch gemeldet waren. Und andererseits: „Eine höhere Infektionsgefahr geht von den Nicht-Berufssportlern ganz sicher nicht aus“, formulierte die LAV-Athletin Hanna Gröber, die ebenfalls ausgeladen worden war. Ihr und den anderen Athleten gehe es vor allem darum, dass das Teilnehmerfeld ohne „objektive Kriterien“ ausgesiebt wurde. Sprich: Sportliche Kriterien fehlten.

Dabei hatten sie im Vorfeld schon einen PCR-Test gemacht und Schnelltests sowieso. Doch nützte das alles nichts, denn der Zug – sprich: die DM über 10 000 Meter – war ohne sie abgefahren.

Doch ganz so war es auch nicht. Denn wer in qualvollen Monaten eine großartige Form aufgebaut hat, will das auch irgendwie zeigen. Und Lisamarie Haas, die Frau für die Öffentlichkeitsarbeit bei der LAV, berichtet auf der Vereins-Webseite von der Idee, welche die Athleten schließlich umsetzten.

Denn die machten einfach einen Lauf auf der Blauen Bahn im SV-Stadion. Da wurde eben die DM simuliert. Und dabei, so berichtet Haas, zeigte ganz speziell der Langstreckenspezialist Lorenz Baum ein phänomenales Rennen. Denn der LAV-Spitzenläufer pulverisierte seinen bisherige Bestzeit förmlich. Er benötigte für die 25 Runden gerade mal 29:45 Minuten – und lag damit klar unter der magischen halben Stunde. „Damit wäre er bei der DM in die Top-Ten gelaufen“, berichtet Haas. Er wäre tatsächlich Sechster im gesamten Feld gewesen!

Zwar hatte Baum bei seinem Rekordlauf keine direkte Konkurrenz – wie bei einem analogen Rennen mit „echten“ Gegnern –, aber seine Vereinskameraden Göhler und Tomsich liefen phasenweise mit und machten Tempo. Und so gelang Baum ein großartiger, übrigens handvermessener, Lauf. Man stelle sich vor, was hätte herauskommen können, wenn Baum im Feld der DM-Läufer mitgerannt wäre. Manchmal bringen solche Rennen im Pulk die besten Ergebnisse. Dennoch: Trainerin und Läufer waren überglücklich.

Nicht so gut lief es für Katja Fischer. Die rannte eine Zeit von 35:49 Minuten, nicht unbedingt die Zeit, die sie angestrebt hatte. Aber auch hier: Top-10 wäre es geworden. „Die Luft war raus“, sagte sie im Anschluss. Begleitet hatte sie der LAV-Athlet Lukas Müller, der für sie den Hasen gegeben hatte. Und Hanna Gröber, die in Zürich gerade als Immunologie-Doktorandin arbeitet, machte dort einen schnellen Trainingslauf. Um ihr Missfallen über diese nicht nachvollziehbare Entscheidung des Verbandes kundzutun, schrieb sie einen offenen Brief an den Leichtathletikverband, in dem sie diese ganze Gemengelage beschreibt und verdeutlicht, was solche nicht nachvollziehbaren Entscheidungen für die Sportlerinnen und Sportler konkret bedeuten.

„Dass man so was dem eigenen Verband in einem offenen Brief mitteilen muss, ist traurig genug“, betonten einige Athleten und Athletinnen. Und Lorenz Baum hat natürlich jetzt erst recht Lust auf mehr. „Ich hoffe, die ganze Arbeit bringt uns jetzt wenigstens noch die Möglichkeit ein, dass wir im Mai noch an den Start gehen können“, denkt er jetzt positiv in die Zukunft. Werner Bauknecht