Der Kommentar

Gelbe Henne

15.01.2020

Von Angelika Brieschke / Archivbild: Rainer Mozer

Gelbe Henne

Wissen Sie, was ein Scheingallizismus ist? Nein? Ich auch erst seit Kurzem. Dabei ist das ein so wunderbar rätselhaftes Wort. Hat es etwas mit Galizien, Galle, Gallien oder Gallus zu tun?

Mein Favorit war sofort Gallus, der „Hahn“. Ein Scheingallizismus wäre dann ein „Schein-Hahn“, also zum Beispiel eine Henne, die sich wie ein Gockel aufführt.

Oder ist es eine Krankheit, bei der scheinbar die Galle beteiligt ist? Quietschgelb gefärbte Haut vielleicht, die nicht durch eine Fehlfunktion der Galle, sondern durch einen Mangel an irgendetwas – (Vitamin D vielleicht?) – hervorgerufen wird?

Oder es ist ein evolutionsgeschichtliches Phänomen: Bewohner einer Südseeinsel, die exakt wie Asterix oder Obelix aussehen.

Nein, alles falsch. Auf das Wort „Scheingallizismus“ bin ich gestoßen, als ich auf der Suche war nach der richtigen Schreibweise von „Jour fixe“, dem französischen Ausdruck für einen regelmäßig stattfindenen Termin. Eigentlich wollte ich nur wissen: Wird es mit oder ohne „e“ geschrieben? Also: „Jour fixe“ oder „Jour fix“?

Ich fing an, in meinem verschütteten Schulfranzösisch zu kramen, was meist nicht hilfreich ist. So auch hier. „Jour“ ist männlich – das wusste ich noch und auch, dass das dann für die Schreibweise ohne „e“ sprechen würde, also für „fix“. Dann aber, dachte ich, würde man das „x“ gar nicht hören, weil im Französischen der letzte Buchstabe eines Wortes meist gar nicht ausgesprochen wird. „Jour fi“ also?

Wohl kaum. Ich griff zum Äußersten: einem Nachschlagewerk. (Ja doch, glauben Sie mir: So was tun Journalisten manchmal im Dienste der Orthographie.) Und da erfuhr ich zweierlei: Das französische Wort „fixe“ wird stets mit einem „e“ am Ende geschrieben, egal ob männlich oder weiblich.

Und: Jour fixe ist ein Scheingallizismus. Also ein Wort, das im Deutschen erfunden wurde, sich für uns aber so anhört, als ob wir es aus dem Französischen übernommen hätten. Den Begriff „Jour fixe“ gibt es im Französischen nämlich gar nicht. So wie manch anderes Wort, auf dessen französischen Ursprung ich gewettet hätte. Zum Beispiel: Raffinesse, Friseur, Gardine und – Blamage. Ja, genau! Angelika Brieschke / Archivbild: Rainer Mozer

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15.01.2020, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 15.01.2020, 01:00 Uhr

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