Essen selber mitbringen

Das Kochen für Ferienkinder wird immer aufwändiger

Die Sommerferien verbringen viele Kinder in ganztägigen Betreuungsangeboten: Sportcamps, Stadtranderholungen, Zirkusfreizeiten oder Ferienlagern. Da ist Verpflegung vor Ort üblicherweise mit dabei. Wie gehen die Veranstalter mit den immer mehr werdenden Nahrungsallergien um?

16.08.2017

Für alle aus einem Topf – das geht heute nicht mehr. Archivbild: Grohe

Für alle aus einem Topf – das geht heute nicht mehr. Archivbild: Grohe

Kreis Tübingen. Ganz klar: „Es ist schwieriger geworden“, sagt Elke Schwendowius, die die Tübinger Stadtranderholung im Schönbuch bei Pfrondorf leitet – das „Spatzennest“. Das von der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde getragene Waldheim bietet in den Sommerferien zwei Freizeiten an, die jeweils drei Wochen dauern und von 9 bis 18 Uhr gehen. Das heißt, die Kinder sind den ganzen Tag da und essen auch dort oben. „Wir haben hier eine Standardküche“, erklärt Schwendowius, „und da können wir nur gewisse Dinge abdecken. Wir können vegetarisches Essen anbieten, Essen ohne Schweinefleisch, und Essen bei manchen Allergien, zum Beispiel gegen Milchzucker oder gegen Leinsamen oder Karotten.“

Essen für alle möglichen Allergien allerdings – das gehe nicht in dem Großküchenbetrieb, der für die evangelische Freizeit notwendig ist. 330 Kinder und 50 bis 60 Betreuerinnen und Betreuer sind hier täglich mit Essen zu versorgen. Da könne die Küche mit ihren 20 bis 25 Mitarbeiterinnen nicht auf alle Ess-Probleme eingehen. Diabetes und Zöliakie zum Beispiel sei in der Küche nicht zu bewältigen. Schwendowius schätzt, dass momentan 30 bis 40 Kinder im Spatzennest sind, die irgendeine Allergie oder sonst eine Ernährungskrankheit haben.

„Kinder mit Allergien können schon kommen“, betont die Waldheimleiterin, „aber da muss natürlich vorher gute Rücksprache mit den Eltern gehalten werden.“ So könnten Kinder, für die die Küche nicht sorgen kann, selbstverständlich ihr eigenes Essen mitbringen, das ihnen dann vom Küchenpersonal in der Mikrowelle warm gemacht werden kann. In Rottenburg bietet die Stadt in der ersten Ferienwoche ein Sportcamp, das von 9 bis 16.30 Uhr geht. Dieses Jahr waren dort 94 Kinder in Betreuung. Kinder- und Jugendreferatsleiterin Karin Frech sieht dabei die Probleme mit den Ernährungsbeeinträchtigungen eher locker: „Wir fragen das im Vorfeld bei den Eltern ab, es gibt ja auch zunehmend immer mehr Vegetarier“, erklärt sie den schon routinierten Umgang damit. „Wir kochen auch selber, das macht es für uns einfacher.“ Aber auch Karin Frech muss zugeben, dass das Sportcamp-Kochteam mit fünf bis sechs Mitarbeiterinnen wahrscheinlich nicht alles abdecken kann. „Wir versuchen es natürlich und bisher haben wir soweit alles hingekriegt.“

Helga Germann, die Köchin, habe sogar schon mal glutenfrei gekocht, erzählt Frech, mit extra Töpfen und was man da sonst noch alles beachten muss. „Das war natürlich ein großer Aufwand, aber es gab damals zwei Kinder, die Zöliakie haben.“ Selbstverständlich angeboten wird in Rottenburg vegetarisches Essen und Essen ohne Schweinefleisch. Und mit Nüssen wird sowieso nicht gekocht. „Bei uns ist noch nie was passiert“, betont die Jugendleiterin.

In Mössingen heißt die Stadtranderholung wie in Tübingen „Spatzennest“. Dort werden auf der Olgahöhe in den ersten beiden Ferienwochen zwei Freizeiten angeboten, jeweils von 9 bis 17.30 Uhr. In der ersten Woche waren 160 und in der zweiten 140 Kinder da. Organisiert wird das Mössinger Spatzennest von einem Verein, dem Jugendforum Oberes Steinlachtal. Dessen Vorsitzender Thomas Kittel sieht das Problem relativ entspannt: „Wir erfassen gleich bei der Anmeldung, ob und was wir für das Kind beim Essen beachten müssen. Das machen wir schon von Anfang an so, seit wir kochen. Übernommen haben wir das Spatzennest 2003 und seit 2005 kochen wir.“

Drei Dinge werden dabei nachgefragt: Kann das Kind das „normale“ Essen haben, soll es kein Schweinefleisch bekommen und hat es irgendwelche Allergien. „Dieses Jahr haben wir erstaunlich wenig Allergie-Kinder“, erzählt Kittel, „aber wir kriegen viel hin: keine Lactose, keine Nüsse. Die Spitze ist, die Mutter bringt das Essen in den eigenen Töpfen mit. Das machen wir dann auf unserem Gasherd warm.“ So einen Fall hatte das Mössinger Spatzennest im vergangenen Jahr, und der Vereinsvorsitzende hätte auch kein Problem damit, ein Diabetes-Kind in die Freizeit aufzunehmen. Das Küchenteam mit acht bis neun Mitarbeiterinnen versuche grundsätzlich, alles zu ermöglichen. „Klar ist es ein Aufwand, aber wir machen’s“, sagt er.

Für Thomas Kittel ist sowieso ganz klar: „Wenn man will, dass das Kind am normalen Leben teilnehmen kann, dann muss man den Aufwand auf sich nehmen.“ Angelika Brieschke

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Erstellt:
16.08.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 16.08.2017, 01:00 Uhr

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