Die Pflanze des faulen Gärtners

Der Garten im Juni: Die schönen Pfingstrosen erfreuen sich großer Beliebtheit

21.06.2017

Von Andrea Bachmann

Pfingstrosen sind Kult – diese hier stehen im Tübinger Botanischen Garten. Bilder: Bachmann

Pfingstrosen sind Kult – diese hier stehen im Tübinger Botanischen Garten. Bilder: Bachmann

Sie kann Tote wieder zum Leben erwecken und verletzte Götter heilen: Nachdem Herakles Pluton im Krieg um Pylos mit einem Pfeil verwundet hatte, legte der Götterarzt Paian Pfingstrosen auf dessen Wunden und brachte den Gott der Unterwelt so wieder auf die Beine und als Theseus‘ Sohn Virbios von den Pferden seines Vaters zu Tode getrampelt worden war, gelang der Göttin Artemis die wundersame Auferstehung des geschundenen Jünglings ebenfalls mit Hilfe von Pfingstrosen.

Der Götterarzt gab den Blumen seinen Namen: Päonien oder Pfingstrosen sind Blumen voller Wunder und Eleganz, die seit vielen Jahrhunderten die Menschen in Mitteleuropa und im fernen China mit ihrer verschwenderischen Blütenfülle und ihren leuchtenden Farben erfreuen und die dabei so anspruchslos und langlebig sind, dass sie den zweifelhaften Ehrentitel „Pflanze des faulen Gärtners“ tragen.

Ursprünglich stammen Päonien, die eine kalte Ruhezeit im Winter brauchen, um Blüten bilden zu können, aus subtropischen Bergregionen in Südeuropa und Asien, wo sie vorwiegend in Bergwäldern und Buschwaldregionen zu Hause sind. In der europäischen Antike waren Päonien bereits als Gartenpflanzen bekannt und Benediktinermönche brachten sie nach Mitteleuropa, um sie in ihren Klöstern als Heilpflanze zu kultivieren. Von den Klostergärten gelangte die Pfingstrose in die Bauerngärten und verwandelte sie in regelrechte Paradiesgärtlein, einer Muttergottes angemessen, wie zahlreiche Madonnenbildnisse beweisen: Zum Beispiel die „Stuppacher Madonna“ von Matthias Grünewald, die vor vielen Jahren im Diözesanmusuem in Rottenburg zu Gast war. Hildegard von Bingen empfahl in ihrer „Physica“ die „feuerfarbene Päonie“ als fiebersenkendes Mittel und als Medikament gegen Epilepsie. Noch im 19. Jahrhundert verwendete man in der Volksmedizin Pfingstrosensamen zur Heilung von „Besessenen“ und hängte zahnenden Kleinkindern Ketten aus Päoniensamen zum Kauen um den Hals. Erst um 1860 wurde die Droge „Radix Paeoniae“ aus den Arzneibüchern gestrichen.

Jetzt ist die Päonie nur noch schön, aber das ist sie so sehr, dass sie sich zur Zeit größter Beliebtheit erfreut. Pfingstrosen sind Kult. Nicht zuletzt wegen ihrer ungeheuren Vielfalt: Von der Gattung Paeonia, die zum ersten Mal 1753 von Carl von Linné in seinem Buch „Species Plantarum“ beschrieben wurde, gibt es 32 verschiedene Arten und unzählige Sorten und eine ist schöner als die andere.

Am bekanntesten war und ist die Gemeine Pfingstrose mit ihren riesigen gefüllten Blüten in allen vorstellbaren Pinkschattierungen, die immer ein bisschen so aussehen, als hätte man sie aus Seidenpapier hergestellt. Aber sie bekommt vor allem als Zierpflanze in Parks und Gärten zunehmend Konkurrenz von ihrer chinesischen Schwester, der Milchweißen Pfingstrose, von der mittlerweile 3000 verschiedene Sorten gezüchtet werden.

In China schätzt man diese Strauchpfingstrosen seit weit über 1000 Jahren. Sie standen unter kaiserlichem Schutz, zählten zu den edelsten Gütern des Landes und symbolisieren ein in Liebe erfülltes Frauenleben. Kein Wunder, dass eine der größten chinesischen Oper nach dieser Blume benannt ist: Im „Päonien-Pavillon“ träumt die überirdisch schöne Du Liniang von dem jungen Gelehrten Liu Mengmej. Weil sie ihn im richtigen Leben nicht finden kann, stirbt sie schließlich an gebrochenem Herzen. Aber der Herr der Unterwelt ist so überwältigt von ihrer Schönheit, dass er ihr erlaubt, als Geist auf die Erde zurückzukehren und nach ihrem Geliebten zu suchen, mit dem sie dann wieder vereint zu den Lebenden zurückkehren darf. Allerdings erst nach unzähligen Verwicklungen und Widrigkeiten – die Originalfassung des Theaterstücks dauert fast 19 Stunden!

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts brachten Europäer die ersten chinesischen Strauchpfingstrosen nach England. Man war begeistert von den dicht gefüllten, ballähnlichen Blüten und schickte 1834 sogar den Pflanzensammler Robert Fortune nach China, um dort Päonien zu erwerben.

Im Botanischen Garten der Universität Tübingen werden sieben Wildarten und über 60 Sorten der Strauch-Pfingstrosen kultiviert. Wer hier ihre Schönheit erleben möchte, findet die größte Vielfalt am Hauptweg zwischen Haupteingang und Gewächshäusern. Aber auch im Asienbereich des Rhododendron-Tals und im Arboretum sie zu sehen. Andrea Bachmann

Der Garten im Juni: Die schönen Pfingstrosen erfreuen sich großer Beliebtheit

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21.06.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 21.06.2017, 01:00 Uhr

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