Eine hochspannende Fusion

Der Jazztrompeter Roy Hargrove kommt mit seinem Quintett nach Reutlingen

Roy Hargrove fasst die Energien zusammen: Mit seinem Quintett tritt der hoch dotierte Jazztrompeter am Sonntag, 21. August, im Rahmen von Tobias Festls Jazzreihe im Reutlinger Pappelgarten auf.

10.08.2016

Der Jazztrompeter Roy Hargrove kommt mit seinem Quintett nach Reutlingen

Er war gerade 17, als er 1987 während eines Konzerts auf die Bühne gebeten wurde, um sich mit dem damals schon bekannten Wynton Marsalis zu messen. Diese Begegnung war für den jungen Roy Hargrove der Beginn einer großen Jazzkarriere.

Denn wenig später spielte der am 16. Oktober 1969 in Texas geborene Jazz- und Funk-Trompeter bereits mit Jazzgrößen wie Sonny Rollins, Slide Hampton und Johnny Griffin zusammen und veröffentlichte 1989 mit Al Foster und John Hicks sein Debütalbum mit dem passenden Titel „Diamond In The Rough“.

Ein „ungeschliffener Diamant“ war der aufsteigende Jazzer aus den USA in der Tat. Einer, der den Funk im Blut hatte und seine Fühler stets in neue musikalische Richtungen ausstreckte. Einer, der immer mehr war als ein solider Hardbopper, den nicht nur der Jazz interessierte, sondern die ganze Palette afroamerikanischer Musik - also der Funk, der Soul, der R’n’B und auch der Rock.

Während Hargrove zu Beginn der 1990er-Jahre seine ersten fünf Alben unter eigenem Namen veröffentlichte, spielte er später auch an der Seite von zahlreichen bekannten Jazzern, Rappern und Soulmusikern wie Steve Coleman, Common sowie Erykah Badu und Diana Ross. Als Partner von Herbie Hancock und Michael Brecker nahm er zudem 2002 das mit zwei Grammys ausgezeichnete Album „Directions In Music: Live At Massey Hall“ auf. Anfang des Jahrtausends gründete er das Projekt The RH Factor, das Hargrove erstmals vor rund 16 Jahren auf dem Monterey Jazz Festival öffentlich ausstellte. Es sei die Konsequenz seiner Lebenserfahrungen, sagte Hargrove damals, eine hochspannende Fusion aus Neo-Soul, Hip-Hop und Jazz.

Davon erzählt auch heute noch jede Phrase, jeder Takt seiner Musik. Roy Hargrove geht es darum, sich von allen Fesseln zu lösen, die ihm das Jazzestablishment einst auferlegte, als es ihn zum Nachfolger von Clifford Brown und Freddie Hubbard erkor. Die Musik der 1970er Jahre, auch und gerade die Pop- und Soulmusik, war ein wesentlicher Teil seiner musikalischen Sozialisation. Doch dabei blieb es nicht, Ende der 1980er Jahre kam der Hip-Hop dazu. Neben Charlie Parker, John Coltrane und Miles Davis zählt Hargrove Rapper wie KRS-One und LL Cool J zu den Musikern, die ihn am nachhaltigsten beeinflussten: „It’s all music“, ist Hargroves Philosophie, und seit Jahren arbeitet er daran, die disparaten musikalischen Welten kurzschließen zu können.

Beim Auftritt in Tobias Festls neuer Jazzlocation Pappelgarten wird Hargrove seinen langjährigen Saxofonisten Justin Robinson, den 79-jährigen Pianisten Kirk Lightsey, Paolo Cardoso am Bass und Mario Gonzi am Schlagzeug an seiner Seite haben. Hargrove selbst, den man jahrelang das Wunderkind der Jazztrompete nannte, sucht wie früher schon Miles Davis nicht penetrant die Bühnenmitte, sondern tritt immer wieder zurück, steht gerne am Bühnenrand und hört zu, wie sich Energien entwickeln, um ihnen dann eine Richtung zu geben, sie zusammenzufassen. Hargrove kann das Zentrum der Musik sein, ohne ständig aktiv eingreifen zu müssen. Er kann seinen Saxofonisten hitzige Hardbopphrasen spielen lassen, über die er sich schwebend erhebt oder alles auf fließenden, mainstreamkompatiblen Soul herunterfahren - und dabei der unumstrittene Leader bleiben.Er kann die Türen offen lassen und lässig beobachten, was von allen Seiten in sein Zimmer hinein tönt. Er kann elegant sein, weich, geschmeidig, warm, zupackend, bissig, rau, fordernd. Er kann, na ja, nicht alles. Aber schon ziemlich viel. Jürgen Spieß

Das Roy Hargrove Quintet spielt am Sonntag, 21. August, ab 20 Uhr im Reutlinger Pappelgarten.

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Erstellt:
10.08.2016, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 10.08.2016, 01:00 Uhr

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