So eng wie möglich

Der neue Tunnel durch den Schlossberg sollte vor allem die viel befahrene Mühlstraße entlasten

20.07.2016

Von Andrea Bachmann

Der Tübinger Schloßbergtunnel, hier ist der Nordeingang zu sehen, galt bei seiner Fertigstellung im Jahr 1979 als hypermodern. Archivbild: Metz

Der Tübinger Schloßbergtunnel, hier ist der Nordeingang zu sehen, galt bei seiner Fertigstellung im Jahr 1979 als hypermodern. Archivbild: Metz

Tübingen ist eine Stadt auf sieben Hügeln und an drei Flüssen. Man lebt zwischen Berg und Tal. Das ist reizvoll, bietet es doch wunderschöne Aussichten. „Am wenigsten ein Jammertal ist die Welt im Ammertal“ heißt es und Friedrich Hölderlin wachte im Neckartal das Herz auf. Das ist aber auch anstrengend, denn von einem Tal ins andere geht der Weg immer über den Berg. Es sei denn, man führt ihn drunter durch.

Schon zu Beginn des 20. Jahrhundert stellte man in Tübingen die ersten Überlegungen an, einen Straßentunnel durch den Schlossberg zu graben, der schön, aber unpraktisch zwischen Ammertal und Neckartal hinaufragt. Aber nachdem 1910 ein Eisenbahntunnel gebaut worden war, blieben solche Pläne erst einmal liegen. Die 1887 vom Mühlgraben zu einem „Prachtboulevard“ aufbereitete Mühlstraße blieb vorerst die einzige Straße, die durch die Stadt führte und Neckar und Ammer miteinander verband.

Spätestens in den 1960er-Jahren war diese Straße vollkommen überbeansprucht. Die Tunnelpläne gewannen wieder an Bedeutung und man begann nach einem geeigneten Bauplatz zu suchen. Der Tunnel sollte nicht allzu weit von der Stadt entfernt liegen, weil das den innerstädtischen Verkehr nicht entlastet hätte. Mitten hindurch war aber erst recht nicht möglich, weil man dann zu viele Häuser hätte abreißen und das Stadtbild tiefgreifend hätte zerstören müssen. Schließlich einigte man sich auf das Gebiet bei der Rheinlandstraße und begann mit den Planungen.

Vorgesehen war eine zweibahnige Straße mit zwei Tunnelröhren, die 265 Meter lang werden sollte. Fünf Brücken mussten für Anschluss und Fortführung gebaut werden, 38 Gebäude mussten abgerissen werden. Das waren gar nicht so viele – man hatte beschlossen, die Tunnelröhren so eng wie möglich nebeneinander zu führen, um möglichst viel Baubestand schonen zu können. Tatsächlich haben die beiden Tunnelröhren unter dem Schlossberg nur einen Abstand von fünf Metern, was in der Geschichte des Tunnelbaus bislang einmalig war.

Am 11. Januar 1973 begann man mit den Bauarbeiten und konstruierte zunächst aus Stahl und Beton den Mittelpfeiler. Erst danach konnte mit dem bergmännischen Auffahren der beiden Tunneldurchbrüche angefangen werden. Die geologischen Verhältnisse waren kompliziert: Uneinheitliche Schichten aus Keuper, Schilfsandstein, Berggips und Mergel sowohl eine breite Hangschuttlinie im Süden erforderten zusätzliche Struktursicherungen für das Gewölbe, die bis zu 18 Meter tief in den Berg hineingebaut wurden. Bevor die Rundbetonierung der Tunnelgewölbe fertig gestellt werden konnte, machten starke Spannungen weitere bauliche Sicherungsmaßnahmen notwendig.

Sechseinhalb Jahre und 71 Millionen DM später war alles fertig: am 20. Juli 1979 konnte der Schlossbergtunnel eingeweiht werden. Zwischenzeitlich war 1974 der Fußgängertunnel gebaut worden, der Haagtor und Alleenbrücke miteinander verband und 250 Meter lang war. Bis zur Fertigstellung des Straßentunnels unter dem Schlossberg durfte der Fahrradtunnel auch einspurig von Autos in Nord-Süd-Richtung befahren werden.

Der neue Tunnel war hypermodern. Die Lärmschutzanlagen und die elektrische Tunnelbeleuchtung entsprachen den neuesten technischen Möglichkeiten. Mit einer Signalanlage konnte der Tunnel gesperrt werden, wenn es einen Stau gab oder die CO-Konzentration allzu hoch war.

Erst 2005 investierte man 250 000 Euro, um den Schlossbergtunnel mit Notrufsäulen, Fluchtwegebeleuchtung, einer Brandmeldeanlage und Heizbändern gegen Eisbildung aufzurüsten. 2013 wurden Tunnel und Brücken für 6,5 Millionen Euro saniert.

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Erstellt:
20.07.2016, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 20.07.2016, 01:00 Uhr

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