30 Pfennig für ein Rindvieh

Die Bürgerstiftung Dußlingen war zu Besuch bei Margot Möck, der letzten Waagmeisterin von Dußlingen

Die Bürgerstiftung Dußlingen möchte unter dem Motto „Menschen verbinden – Zukunft für Dußlingen gestalten“ das aktive bürgerschaftliche Engagement in der Gemeinde stärken.

15.11.2017

D’ Woog, das Waaghäusle am Hindenburgplatz 12 in Dußlingen. Bilder: Bürgerstiftung Dußlingen

D’ Woog, das Waaghäusle am Hindenburgplatz 12 in Dußlingen. Bilder: Bürgerstiftung Dußlingen

Dußlingen. Die Vielfalt macht es aus. Dazu zählt auch das bereits laufende Projekt „Kulturelles Erbe von Dußlingen bewahren – wie es früher war“. In diesem Projekt interviewen wir, die Bürgerstiftung Dußlingen, mit tatkräftiger Unterstützung durch Schülerinnen und Schüler der Anne-Frank-Schule Dußlingen ältere Dußlinger/innen. Die Interviews werden videografiert. Im Rahmen dieses Projektes hatten wir am 4. Oktober 2017 die Gelegenheit, ein Interview mit dem Ehepaar Möck zu führen. Margot Möck, geboren in Schlesien und Georg Möck, geboren in Dußlingen, waren seit 1973 für über 30 Jahre die geprüften Waagmeister für die Dußlinger Waagen im Waaghäusle.

Das Waaghäusle am Hindenburgplatz 12 hatte seit 1934 eine neue Viehwaage (Wägebereich bis 1 500 Kilogramm) bekommen, zu der bestehenden Fuhrwerkwaage (7 500 Kilogramm), die dann 1958 durch eine Autowaage (20 000 Kilogramm) ausgetauscht wurde. Die Geschichte der Waagmeister geht recht lange zurück. Bis 1936 hatte Johannes Wörner den Posten inne, anschließend Herr Ernst Reutter, dann Herr Höschle und zuletzt das Ehepaar Margot und Georg Möck, bis 2009 der Wägebetrieb eingestellt wurde.

Um eine Waage bedienen zu dürfen, musste eine Prüfung beim Eichamt abgelegt werden, und man wurde vereidigt, gewissenhaft und unparteiisch sein Amt auszuüben. Penibel genau wurde das Viehwaagbuch geführt, in früheren Zeiten wurden mehrmals täglich Kühe, Kälber, Schweine, Ochsen, auch Wildschweine, ja sogar auch Obstfässer gewogen.

Die Waagmeister mussten sich von Montag bis Samstag morgens ab 6 Uhr, über die Mittagszeit und auch abends zur Verfügung halten. Im Sommer kamen die Viehbesitzer oft sogar schon um halb 6 Uhr. „Ich wollte auch einfach mal einkaufen oder zu einem Familienfest gehen können“, erzählt Margot Möck, „aber dann mußte ich vorher jemandem meine Telefonnummer geben, damit ich gerufen werden konnte.“ Erst ab 1964 wurden die Bereitschaftszeiten wochentags von 7 bis 12 Uhr und 14 bis 18 Uhr eingeschränkt und es gab den Samstagnachmittag sogar frei.

Reich konnte man dabei nicht werden: Ab 1950 wurden 20 Pfennig für das Ermitteln des Gewichtes von Handwagen und Schubkarren erhoben, 30 Pfennig für das Wiegen von Rindvieh und Schweinen, für einen vollen Lastkraftwagen gab es immerhin 2,50 Mark. Von Auswärtigen wurde die doppelte Gebühr verlangt. 1958 wurden die Gebühren für jedes Stück Vieh auf 50 Pfennig erhöht und Auswärtige zahlten ab da das Gleiche. Der Waagmeister erhielt 75 Prozent der Einnahmen, die jeweils gleich bar bezahlt wurden. Nach Erhöhung der Wiegegebühren aber nur noch 50 Prozent.

Margot Möck erzählt aus ihren langen Jahren als Waagmeisterin: „Oft kamen große Anhänger mit Heu oder Stroh, hauptsächlich in der Ernte und auch wenn die Landwirte die Ladung verkaufen wollten.“ Auch für den örtlichen Schrottsammler war es wichtig zu wissen, wie viele Eisenmetalle er auf seinen Anhänger aufgeladen hatte. Als die Steinlach ausgebessert und begradigt wurde, kamen eine lange Zeit über Lastwagen mit übergroßen, schweren Steinen.

Meistens am Montag kamen die Metzger aus Dußlingen (Adler, Germania, Ochsen) mit den zu schlachtenden Schweinen zum Wiegen. „Ganz extrem war es, wenn ein bockiger Bulle gewogen werden sollte“, erinnert sie sich, „die haben die kommende Gefahr erkannt.“ Beim Wiedereinladen in den Anhänger entlief sogar mal ein Bulle und beide, Metzger und Bulle, standen in der Steinlach und das Tier musste mühsam wieder eingefangen werden. „Das war auch für mich gefährlich“, erzählt sie, „und einmal ist auch ein Bulle ausgerissen und wollte die Treppe vom gegenüberliegenden Milchhäusle hochsausen.“ Ebenso oft kam die Polizei mit einem zu schwer beladenen Auto vorbei, um aus dem Übergewicht die Strafe zu ermitteln.

Im Rückblick meint Margot Möck seufzend: „Insgesamt war es eine schöne Zeit.“ Nach dem Ablauf der Eichfrist 2009 wurde der Betrieb der Vieh- und Brückenwaage eingestellt.

Schön wäre es, wenn das Waaghäusle als Teil der Dußlinger Geschichte nicht in Vergessenheit geraten würde.

Die Dußlinger Bürgerstiftung möchte gerne festhalten, wie es früher in Dußlingen war. Dazu möchte sie Alteingesessene zu Geschichten aus ihrer Schulzeit, dem Dorfleben oder den Kriegswirren interviewen, damit dies nicht verloren geht. Oft weiß der Enkel nicht mehr wie sein Großvater aufgewachsen ist.

Wer gern was erzählen oder alte Bilder zeigen möchte, wende sich bitte an die Dußlinger Bürgerstiftung: www.buergerstiftung-dusslingen.de

Margot und Georg Möck, die letzten Waagmeister von Dußlingen.

Margot und Georg Möck, die letzten Waagmeister von Dußlingen.

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Erstellt:
15.11.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 15.11.2017, 01:00 Uhr

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