Im Melting Pot ethnischer Kulturen

Die New Yorker Band Hazmat Modine überspringt alle musikalischen Grenzen

Lustbetontes Musizieren im Dienste der Weltmusik? Das gelingt derzeit niemandem besser als Hazmat Modine. Die New Yorker Band stellt am 5. Juli auf der Tübinger Sudhaus-Waldbühne ihr aktuelles Album vor.

21.06.2017

Bandleader Wade Schumann ist in Tübingens Partnerstadt Ann Arbor aufgewachsen. Bild: Spieß

Bandleader Wade Schumann ist in Tübingens Partnerstadt Ann Arbor aufgewachsen. Bild: Spieß

In New York macht seit etwa elf Jahren eine Band von sich reden, die traditionellen Klängen einen anarchistischen und gleichzeitig weltmusikalischen Touch gibt – Hazmat Modine. Die für ihre Musik mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik in der Kategorie Blues ausgezeichnete Band jagt auch auf ihrem neuen Album „Extra-Deluxe-Supreme“ den Blues virtuos durch verschiedene Genres.

Dabei arbeitet Bandleader Wade Schumann eigentlich lieber langsam, lässt sich Zeit, Ideen und Entscheidungen reifen zu lassen. Vor vielen Jahren hatte er sich schon für die Malerei entschieden, die Musik sah er eher als ein Hobby zur Entspannung: „Wenn ich Musik mache, dachte ich damals, würde ich damit niemals Geld verdienen. Ich wollte einfach das machen, was mir wichtig ist und es ging mir nicht um Geld, Karriere oder Erfolg. Dafür bin ich sowieso schon zu alt.“

Seit der Bandgründung 1998 versucht der Mundharmonikaspieler, Gitarrist und Sänger den prosperierenden lokalen und regionalen amerikanischen Musikstilen aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts auf den Grund zu gehen. Dabei wühlt er mit seiner achtköpfigen Band auch mit Vorliebe im sich ständig verändernden Melting Pot ethnischer Kulturen.

Aus diesem sollten sich in der Folge nur scheinbar fest gefügte Stile wie Bluegrass, Ragtime, Jazz oder Rock destillieren. Schumann zieht karibische, lateinamerikanische und afrikanische Wurzeln ebenso heran wie sich Swing-Strukturen in die Songs einschleichen, der Country fest mit den Füßen aufstampft oder Calypso und slawische Traditionen Eingang finden. Kein Ort, kein Stil, der bei dieser Gruppe nicht besucht wird: Balkanbrass, Klezmer, Jazz, Swing, jamaikanischer Calypso – alles absorbiert Hazmat Modine und fügt es zu einem vielschichtigen, extrem unkonventionellen Klangbild zusammen.

Dass man in vielen Stücken eine Vorliebe für den Blues der 1920er und 1930er Jahre heraushören kann, hat seinen Ursprung in Wade Schumans Herkunft. Er wuchs in Ann Arbor, Michigan, auf und kam dort während des Folk- und Bluesrevivals mit den Genres dieser Dekaden in Kontakt. Schon im Alter von zehn Jahren fing Schuman an, Harmonika zu spielen, nachdem ihm sein Bruder eine Platte mit Bluesaufnahmen der 1930er-Jahre geschenkt hatte. Gerade der Beginn des 20. Jahrhunderts war ja geprägt von Amerikas großen musikalischen Errungenschaften. Nicht nur der Jazz entwickelte sich, auch die Musik der Emigranten spielte eine formbildende Rolle.

Es gab einen regelrecht spirituellen Aufbruch in musikalischer Hinsicht, „und zu dem trage ich auch heute noch bei, mit allem, was ich im Laufe meines Lebens gehört habe: Reggae, Calypso, rumänische Musik, afrikanische Klänge – und eben Blues“, erläutert Wade Schuman. Gelegentlich erinnert die Musik sogar an den späten Tom Waits. Von dem US-Sänger mag man sich auch die ungewöhnliche Besetzung abgeschaut haben. Statt Bassgitarre ist ein Sousaphon von Joe Daley zu hören, welches gerade in New Orleans einen Trauerzug begleitet. Die Gitarren, gespielt von Erik Della Penna und Michael Gomez, schippern Richtung Mississippi-Kreuzung. Dazu gesellen sich mehrere Bläser und so skurrile Instrumente wie Hawaii-Steel-Guitar, Banjo, Basssaxofon und chinesische Mundorgel.

Geschichte schwitzt diese Musik aus jeder Pore. Dazu singt Schuman mal wie Cab Calloway, mal wie Robert Pete Johnson oder eben wie Tom Waits und doch findet in jedem seiner Songs auch die Gegenwart statt. Als Rhythmus, als Arrangement, als Textzeile. Vermutlich haben sich die Klänge des jüdischen Osteuropa und des Delta-Blues noch niemals zuvor derart herzlich in den Armen gelegen. Jürgen Spieß

Am Mittwoch, 5. Juli, tritt Hazmat Modine um 20 Uhr auf der Tübinger Sudhaus-Waldbühne auf.

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21.06.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 21.06.2017, 01:00 Uhr

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