Ein mörderisches Paar

Ulrike Mundorff und Michael Wanner schreiben Lokal-Krimis, die in Tübingen spielen

In „Letzte Stunde“ lässt Michael Wanner in einer Schulaula morden, im „Tübinger Totentanz“ von Ulrike Mundorff liegt die Leiche in einer Künstlergarderobe. Ermittelt wird zwischen der Hermann-Hepper-Halle und dem Hölderlinturm, Lustnau und dem Loretto-Areal. Lokalkrimis liegen voll im Trend und dem Autorenduo gefällt diese Verbindung von Fiktion und Realität.

10.08.2016

Ulrike Mundorff und Michael Wanner schreiben Lokal-Krimis, die in Tübingen spielen

Schreiben Sie gemeinsam an einem Buch? Oder jeder für sich?

Mundorff: Nein, jeder schreibt sein eigenes Buch. Ich habe damit angefangen. Zunächst allein, dann habe ich mich einer Schreibwerkstatt angeschlossen. Jedes Mal, wenn ich erzählt habe, was ich dort alles gelernt habe, wusste Michael alles besser. Da habe ich gesagt: „Dann schreib doch selber.“ Das hat er gemacht. Mit „Endstation“ haben wir ein Buch mit Kurzkrimis herausgegeben, die an den einzelnen Stationen der Ammertalbahn spielen, und die wir beide geschrieben haben.

Wanner: Aber wir reden viel über unsere Arbeit, fragen uns gegenseitig um Rat und liefern uns Ideen. Und wir lesen die Bücher des anderen Korrektur und passen auf, dass alles passt.

Was macht Tübingen zu einem geeigneten Schauplatz für Kriminalromane?

Wanner: Ich hatte im Germanistikstudium einen Professor, der ein Vorbild für Hanna Kirschbaum, die Ex-Frau meines Kommissars Friedrich Holzwarth, wurde. Deshalb spielt „Totgeschrieben“, mein erster Krimi, auch im Tübinger Uni-Milieu.

Mundorff: In Tübingen gibt es einfach viele interessante Anknüpfungspunkte und die Mischung aus Universitätsangehörigen und „normalen“ Leuten ist spannend. In „Motherbrain“, einem Near-Future-Thriller, geht es zum Beispiel um Cyborgs, um Menschen, denen man einen Hirnschrittmacher eingesetzt hat. Und Tübingen ist eine Hochburg der Implantatforschung!

Wie fühlt es sich an, jemanden umzubringen?

Mundorff: Manchmal macht es Spaß. Aber der Leser soll schon das Gefühl haben, das Opfer hat es verdient. Denn es ist immer ein bisschen Täter und der Täter ist auch immer ein Opfer. Wir finden ganz unschuldige Opfer langweilig.

Der Tatort in „Totentanz“ ist die Hermann-Hepper-Halle, die Hermann-Hesse-Schule in „Letzte Stunde“ gibt es hingegen in Tübingen gar nicht. Wie realistisch sind Ihre Krimis eigentlich?

Wanner: Eine Tübinger Schule zu nehmen, war mir einfach zu heftig. Dagegen finde ich, dass Kommissar Friedrich Holzwarth sehr gut nach Tübingen passt. Er könnte vom Typ her vielleicht noch in Rottenburg oder Herrenberg wohnen, aber nicht in Frankfurt oder Hamburg.

Mundorff: Bestimmte Charaktere und Stimmungen gibt es nur hier in Tübingen, was ich gerne verwende. Eine Bauchtanzszene wie im „Totentanz“ existiert in Tübingen so ähnlich, nur die großen Shows fehlen. Orientalischen Tanz habe ich selbst 17 Jahre lang betrieben und dabei Leute kennen gelernt, die ich als Vorlage für einige Figuren verwendet habe.

Suchen die Leser/innen nicht auch nach Orten und Leuten, die sie kennen?

Mundorff: Man könnte gar keine realen Personen als Romanfiguren nehmen, weil im Roman ganz andere Bedingungen gelten als in der Realität. Personen, Schauplätze, Umgangston basieren alle auf meinen Erlebnissen, aber es braucht auch immer noch einen fiktionalen Anteil.

Wanner: Man sollte eigentlich niemanden wiedererkennen. Aber manchmal passiert es, dass der Leser etwas Ausgedachtes als real zu erkennen glaubt.

Lokalkrimis liegen gerade voll im Trend. Können Sie sich den Erfolg dieses Genres erklären?

Wanner: Die Leute wollen lesen, was in ihrer Gegend los ist. Das ist beim Krimi wie beim Lokalteil der Zeitung. Was in der eigenen Umgebung passiert, kann man sich viel besser vorstellen und spielt so ein bisschen selber mit. Aber die Geschichte ist ebenso wichtig, die sollte auch für sich stehen können und spannend und stimmig sein.

Mundorff: Ich glaube, die Menschen lieben diese Mischung aus Realität und Fiktion. Was wir bieten, ist eine Art „augmented reality“. Das ist wie bei einem Spiel, das nur dann Spaß macht, wenn man es ernsthaft spielt. Außerdem kann man eine spannende Geschichte lesen und gleichzeitig etwas über Land und Leute und ein bestimmtes Milieu erfahren.

Interview: Andrea Bachmann

Die Krimis von Ulrike Mundorff und Michael Wanner erscheinen im Silberburg-Verlag.

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Erstellt:
10.08.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 50sec
zuletzt aktualisiert: 10.08.2016, 01:00 Uhr

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