Duft oder Weideplatz?

Auf den Spuren uralter Flurnamen: Süßenwald

31.01.2024

Der „Vordere Süßenwald“ gehört der Stadt Hechingen. Bild: Arndt Spieth

Der „Vordere Süßenwald“ gehört der Stadt Hechingen. Bild: Arndt Spieth

Wenn man von Mössingen-Belsen über Beuren am Albtrauf entlang in Richtung Schlatt wandert, kommt man am Gewann „Vorderer Süßenwald“ vorbei, das auch heute noch bewaldet ist.

„Süßenwald“ – das ist ein ungewöhnlicher Flurname, der sich in keiner Literatur findet und daher meine besondere Neugier weckte. Normalerweise wird das Wort „Süß“ bei Flurnamen für landwirtschaftlich genutzte Flächen verwendet – meist sonnenexponierte Gebiete mit gutem Ertrag und nährstoffreichem, basischem Untergrund. Flächen wie „Auf der Süßhalde“, „Süße Wiesen“, „In den Süßenen“ oder auf dem „Süßen Wasen“ gedeihen mit wohlschmeckenden Süßgräsern, einem guten und saftigen Gras für das Vieh.

Dagegen lassen Flurnamen wie „Sauerwiesen“ oder „In den Säurenen“ auf eher magere Erträge schließen. Auch in Weinanbaugebieten kennzeichnen Flurnamen in Verbindung mit „Süß“ gute Weinlagen im Gegensatz zu Standorten, an denen nur saure Weine wachsen. Ein Beispiel ist der Süße und Saure Hasenberg bei Stuttgart.

Bei Wäldern erscheint diese Bezeichnung wenig sinnvoll, es sei denn, sie duften während der Blütezeit süßlich, wie es in Lindenhainen der Fall ist. Dies scheint jedoch hier weniger wahrscheinlich zu sein. Ein Blick auf die Flur- und Wanderkarte zeigt, dass das Gelände eigentlich „Sießenwald“ heißt.

Bei der Anfertigung von Flurnamensschildern war man oft versucht, diese alten Namen ins Hochdeutsche zu übersetzen, was manchmal zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen führen kann. Eine „Sieße“, abgeleitet vom Althochdeutschen „siaza“, bezeichnete laut dem bekannten Flurnamensforscher Walther Keinath ein Wald- und Weideland. Auch Ortsnamen wie Süßen oder Kloster Sießen sollen darauf zurückzuführen sein.

Der Vordere Süßenwald grenzt direkt an eine große Wacholderheide, die durch jahrhundertelange Beweidung mit Schafen, Ziegen oder Rindern entstanden ist. Dies macht auch hier einen alten Weidewald sehr wahrscheinlich. Eine weitere Variante ist nicht ganz auszuschließen – nämlich dass der „Sießenwald“ irgendwann mal den Nonnen vom Kloster Sießen gehört haben könnte. In diesem Fall würde der Flurname aber vermutlich eher „Sießerwald“ oder „Sießenerwald“ lauten.“ Arndt Spieth

Zum Artikel

Erstellt:
31.01.2024, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 59sec
zuletzt aktualisiert: 31.01.2024, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen