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Die Fußballvereine im Amateurbereich können noch kicken – und die Zuschauer?

Corona hat den Sport, zumal den Fußballsport, wieder voll im Griff. Und einmal mehr fassen sich die Fachleute an den Kopf.

01.12.2021

Noch wird im Aktivenbereich gekickt, auch wenn für die Jugend schon Schluss ist. Bild: Ulmer

Noch wird im Aktivenbereich gekickt, auch wenn für die Jugend schon Schluss ist. Bild: Ulmer

Denn schon wieder, wie beim vorigen Mal, als der Verband seine Corona-Maßnahmen verkündete, sind sie auch dieses Mal „nicht zu erklären und umzusetzen“, wie es in dem Kommentar auf der Sportseite im SCHWÄBISCHEN TAGBLATT heißt. Bemängelt werden die „Absurditäten“ der Entscheidungen, bei denen zum Beispiel die Spiele des VfB Stuttgart behandelt werden wie ein Wald- und Wiesenkick in den Kreisligen (ohne diesen Ligen zu nahe zu treten).

Denn gerade diese Vereine in den unteren Ligen sind jene, die am meisten mit den Verordnungen drangsaliert werden. Das zumindest kann man den Kommentaren der Verantwortlichen jener Vereine entnehmen. Was wird von ihnen verlangt? Der Württembergische Fußballverband (wfv) stellt klar: „Zuschauer/innen müssen, wie bereits kommuniziert, zusätzlich zum Impf- oder Genesenen-Nachweis einen negativen Antigen-Schnelltest vorweisen (2G+). Dieser kann als Selbsttest unter Aufsicht des Veranstalters, das heißt eines Vertreters des Heimvereins, durchgeführt werden.“

Vorgaben des wfv

Eine unrealistische Vorgabe, meinen die Vereine. Natürlich, sagen sie, würden sie die Einlassbedingungen – also Impfung, Nachweis des Genesen oder den Antigentest –, prüfen, aber Tests können sie nicht vorhalten. Anders ausgedrückt: Die Zuschauer müssen sich selbst darum kümmern, die Vereine können das nicht leisten. „Sollen dann 50 Zuschauer am Eingang stehen und auf ein Testergebnis warten?“, fragt sich da Michael Urban, Abteilungsleiter Fußball beim SV 03 Tübingen.

Für viele ernüchternd ist, dass offensichtlich die ganze Impfung nicht das gebracht hat, was man sich vorgestellt hat. Die Nicht-Geimpften waren bereits bei der vorhergehenden Verordnung von den meisten Veranstaltungen ausgeschlossen worden, auch von denen, die sich im Freien abspielten. Doch jetzt haben auch die Geimpften keinerlei soziale Vorteile mehr durch die Impfung – eine Option, die viel zur Impfbereitschaft beigetragen hat. Jetzt noch einen zusätzlichen Test abzugeben, wird nun die meisten Zuschauer davon abhalten, überhaupt zum Fußball zu gehen.

Die Zahlen zeigen es: Beim absoluten Topspiel der Landesliga, Nehren gegen Nagold, verloren sich 80 Zuschauer auf einem etwa 1500 Quadratmeter großen Gelände, und beim SV 03 erschienen 50 Zuschauer – großzügig gezählt.

Spiele ganz absagen?

Kurt Schneider, Abteilungsleiter vom SV Wurmlingen, ist da konsequent. Er ist der Meinung, der Verband hätte, wolle er soziale Verantwortung übernehmen, den Spielbetrieb absagen müssen. In die Kerbe schlagen einige andere Verantwortliche ebenso, zum Beispiel Marco Häberlen von der SG Tübingen.

Ende für Jugendspiele

Was indes noch mehr erzürnte, war die Einstellung des Spielbetriebs der Jugendmannschaften. Es war nicht alleine das, dass einmal mehr der Nachwuchsbereich als erstes über die Klinge springen musste. Es war auch wieder die Zweiteilung in „die da oben, wir da unten“, die erzürnte.

Denn während zum Beispiel einmal mehr die U16 der TSG Tübingen oder die Verbandsligamannschaft der U19 der TSG Balingen aus dem Spielbetrieb genommen wurden, konnten die Oberligisten der U17 oder die U19 Oberligamannschaft des SSV Reutlingen locker ihr Spiel gegen Großaspach durchführen. Auch sonst geht da der Spielbetrieb ganz normal weiter: Training, Spiel, Training.

Dabei ist doch der Passus des wfv eindeutig: „Gründe für die Absetzung der Jugendspiele sind insbesondere die in den überbezirklichen Staffeln längeren Auswärtsfahrten – üblicherweise in Fahrgemeinschaften – sowie die hohen Inzidenzen bei den Jugendlichen, die zumeist noch keinen Impfschutz genießen und erst sehr viel später die Möglichkeit hatten, einen solchen zu erlangen.“

Auswärtsfahrten als

Impftreiber

Dass gerade die Jugendlichen nicht die Impftreiber sind, sollte sich auch bis zum wfv durchgesprochen haben. Vor allem aber: Da fahren die D-Junioren der Leistungsstaffel 3 von Bühl nach Derendingen oder von Mössingen zum SV 03 Tübingen I.

Aber die Oberliga-B-Junioren fahren von Freiburg nach Ulm, von Balingen nach Heidenheim oder von Offenburg nach Freiburg. Das sind in der Tat überbezirkliche Anreisen – aber keiner kümmert sich darum. Auf Anfrage beim wfv erfährt man, dass das vom DFB so gewünscht sei, deshalb halte man sich daran. Also: Die Krösusse kicken, die Kleinen gucken zu – ganz wie beim letzten Lockdown.

Es wäre ganz sicher im Sinne eines Coronakonzepts, die Saison ruhen zu lassen, und dann für alle. Oder man betrachtet den Fußball nicht als Treiber der Pandemie, dann aber mit Beteiligung der Jugendvereine. Doch der wfv ist eingeknickt. Werner Bauknecht

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01.12.2021, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 01.12.2021, 01:00 Uhr

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