Ein bunter Haufen

Die WG „Schranne“ sucht Unterstützer/innen

Mitten in der Tübinger Altstadt liegt das Haus in der Fruchtschranne 6. Früher befand sich in dem dreistöckigen Gebäude die städtische Wohngeldstelle des Sozialamts. Seit 16 Jahren wird es von einer großen Wohngemeinschaft und vom Verein „BüroAktiv“ genutzt.

14.10.2020

Die Wohngemeinschaft „Schranne“ in ihrer Garage bei einer Infoveranstaltung. Bild: Philipp Schmidt

Die Wohngemeinschaft „Schranne“ in ihrer Garage bei einer Infoveranstaltung. Bild: Philipp Schmidt

Der TAGBLATT ANZEIGER traf die elf Bewohner/innen bei ihrer Infoveranstaltung. Gemeinsam wollen sie in Kooperation mit dem Freiburger Mietshäuser-Syndikat das Haus zu einem selbstverwalteten Wohnprojekt machen, um gesicherten sozialen Wohnraum zu schaffen.

Ihr habt einige Neuzuzüge. Sind alle gleichermaßen in das Projekt involviert?

Laura Esche: In diesem Jahr wurde gezielt nach Mitbewohnern gesucht, die sich engagieren wollen. Wir alle, die neu dazukamen, wussten worauf wir uns einlassen. (lacht) Das ist auch gut so, weil es viel Aufwand bedeutet.

Vor 10 Jahren lebten hier vor allem Studierende. Das hat sich mittlerweile geändert, oder?

Esche: Ja, wir machen alle ganz unterschiedliche Sachen. Ich habe Musikmanagement studiert und mache jetzt eine Ausbildung zur Cranio-Sacral-Therapeutin. Auch altersmäßig sind wir ein bunter Haufen.

Sarah Wirschke: Das ist gewollt. Wir möchten gemeinsam in einem Haus leben, das für Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen offen ist.

Gibt es bei Euch bestimmte Regeln fürs Zusammenleben?

Robert Köllner: Da sind wir noch in einer Findungsphase. Es steht an, dass wir eine Diskussionskultur definieren.

Esche: Da wird sich bestimmt noch einiges entwickeln, auch an Output. Momentan liegt der Fokus aber erst einmal auf dem Erhalt.

Gibt es eine politische Ausrichtung?

Köllner: Jain. Dadurch, dass es ein Mietshäuser-Syndikat-Projekt ist, hat es bedingt einen politischen Bezug. Insofern, als es um Wohnungsmarktpolitik geht. Entgegen der Mietpreisspirale und Gentrifizierung sollen Freiräume geschaffen werden für Menschen, die nicht so viel verdienen.

Aktuell geht es vor allem darum, Direktkredite zu erhalten?

Köllner: Genau. Damit steht und fällt das Ganze. Die Direktkredite sind ein Eigenkapitalersatz, womit wir einen Finanzierungsplan der Bank erhalten werden. Ende Dezember muss die benötigte Summe zusammengekommen sein.

Warum sollte man Euch unterstützen?

Meret Stephan: Vor allem um langfristig bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Aber auch, um in Tübingen die große und aktive Wohnprojektkultur zu erhalten und zu erweitern.

Köllner: Wir erfahren auch viel Solidarität durch die anderen Projekte, wofür wir natürlich dankbar sind.

Esche: Auch die Erbengemeinschaft unterstützt unser Anliegen. Wodurch wir in der privilegierten Lage sind, nicht um das Haus kämpfen zu müssen.

Corona bedeutet sicher eine Erschwernis …

Wirschke: Leider sehr stark. Es fallen viele Möglichkeiten weg, die normalerweise gegeben wären. Vor allem Anlässe, bei denen wir uns besser vernetzen könnten.

Esche: Es fühlt sich gerade ständig so an, als hätte man den einen Fuß auf dem Gas und den anderen auf der Bremse. Wir wollen und müssen raus an die Öffentlichkeit, aber dann kommt gleich wieder die Vorsicht. Finanziell ist es für einige, die uns unterstützen könnten, gerade sicherlich auch nicht so planbar wie unter normalen Umständen.

Köllner: Die andere Seite ist, als es den Lockdown gab und andere isoliert und einsam in ihren Wohnungen hockten, hatten wir hier ein wunderbares, gemütliches Beisammensein im Wohnzimmer. Der Besuch fiel weg, aber wir hatten uns. In dieser Geselligkeit liegt ein großer Vorteil, gerade auch in solchen Ausnahmezuständen.

Ihr habt einen Internetauftritt?

Köllner: Man findet uns auf www.fruchtschranne.de. Dort wird alles noch einmal schön erklärt: Wer wir sind, was wir machen, warum man mit uns kooperieren sollte. Wir beraten natürlich auch gerne telefonisch oder persönlich.

Esche: Für mich ist es eine schöne Vorstellung, irgendwann mal, wenn ich nicht mehr hier wohne, an dem Haus vorbeizulaufen und zu wissen, dass es immer noch für die Leute da ist.

Interview: Philipp Schmidt

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Erstellt:
14.10.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 42sec
zuletzt aktualisiert: 14.10.2020, 01:00 Uhr

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