Sonst würde es sehr knapp

Die drei Tafelläden im Kreis versorgen bedürftige Menschen mit Lebensmitteln

Arbeitslose, Flüchtlinge, Alleinerziehende, kinderreiche Familien und Menschen mit geringem Einkommen dürfen in den Tafelläden einkaufen. Die Tafeln in Tübingen, Mössingen und Rottenburg öffneten dem TAGBLATT ANZEIGER ihre Türen.

23.12.2015

Die drei Tafelläden im Kreis versorgen bedürftige Menschen mit Lebensmitteln

Die Tafel in Mössingen befindet sich im Untergeschoss des Rathauses und ist ein eigenständiger Verein, der von Spenden finanziert wird. Zahlreiche Menschen versammeln sich vor der Eingangstür. Junge, Ältere, Alleinstehende, Familien, Frauen mit Babys auf dem Arm: Alle warten bis sie reindürfen. Die Reihenfolge, in der die Kunden einkaufen, basiert auf einem rollierenden System. Das funktioniert so, dass sich jedes Mal der Zeitraum, in dem der Kunde einkaufen darf, um eine Viertelstunde verschiebt. So kommt jeder mal ganz am Anfang dran und hat dann mehr Einkaufsartikel zur Auswahl.

Ein Kunde zeigt eine ganze Kiste voll mit Joghurt, Milch, Obst, Wurst und Linsensuppe. All das hat ihn 1,50 Euro gekostet. Seit vier Jahren kauft er hier ein, erzählt er. „Ich habe hier auch schon Luxusartikel gefunden, Trüffelpastete zum Beispiel.“ Was er besonders an der Mössinger Tafel schätzt: „Man kann persönlich aussuchen, was man möchte.“ Helferin Else Hummel bestätigt: „Viele sind froh, dass es die Tafel gibt.“ Trotzdem haben es die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Tafel manchmal schwer: „Weibliche Mitarbeiter werden nicht immer ernst genommen“, sagt Hummel. Helfer Klaus Sigloch erzählt, dass nicht alle Kunden den Wert der Tafel zu schätzen wüssten. Er habe schon volle Einkaufstüten mit von der Tafel eingekauften Lebensmittel draußen rumliegen gesehen.

Die Tübinger Tafel in der Katharinenstraße 29 ist auch ein eigenständiger Verein. Um dort einzukaufen zu dürfen, muss man eine Kreisbonuskarte haben. Pro Person zahlt man in der Tafel einen Euro, Kinder zahlen nichts. Mitte November habe es einen Rekordzustrom gegeben. „359 Kunden aus 141 Haushalten waren gekommen“, sagt Bereichsleiterin Erika Riedel.

Wie viele Lebensmittel jeder bekommt, ist vom Vorrat abhängig. Und wie lang ein Kunde warten muss, hängt von der Nummer seines Loses ab. Bei der Tübinger Tafel gilt nämlich das Losverfahren: Je höher die gezogene Nummer, umso länger ist die Wartezeit.

Seit einem dreiviertel Jahr engagiert sich Mechthild Hettich für die Tafel. Sie sitzt freitags an der Kasse. Die Arbeit dort und das Aufeinandertreffen verschiedener Nationalitäten machen ihr viel Spaß, sagt sie. Allein schon ein dankbares Lächeln eines Flüchtlings sorge bei ihr für gute Laune. Die Sprachverständigung sei zwar nicht immer leicht – mit Englisch kommt man oft nicht weit – doch „es findet sich immer jemand Nettes zum Übersetzten“, sagt sie. Als Ehrenamtliche brauche man Einfühlungs- und Durchsetzungsvermögen zugleich. Wie in vielen Tafeln, so versuchen auch in Tübingen einige, sich vorzudrängeln. Bei einem afrikanischen Flüchtling hat Hettich mal energischer werden müssen, um das zu unterbinden. Am Schluss sagte er schließlich: „Ja Mama“, und sie hat sich daraufhin „wie eine afrikanische Mutti gefühlt“.

Ihre Kollegin Annemarie Hofer ist für den Verkauf zuständig. Zu ihren Aufgaben gehören außerdem Regale putzen, fegen und vieles andere mehr. Hofer kommt aus Ammerbuch und hilft seit zwei Jahren mit. „Mir macht es hier unheimlich Spaß“, sagt sie. Sie arbeite gerne mit Menschen, auch wenn nicht alle Tafelkunden leicht zu bedienen sind. „Es gibt Menschen, die erwarten, dass sie hier alles kriegen“, beobachtet Hofer. „Manche verstehen, dass das nicht geht.“ Und dann gebe es anspruchsvolle Kunden, die regelmäßig nach Bioprodukten oder exotischen Früchten fragten.

„Öl, Kaffee und Tee fehlen in der Tafel“, sagt eine Kundin, die im Warteraum sitzt. „Ich hätte gern mehr Käse, Butter und Milch“, betont eine andere. Ein weiterer Kunde meint, dass es gut wäre, wenn auch Toilettenpapier und Hygieneartikel in der Tübinger Tafel zu finden wären.

Davon gibt es in der Rottenburger Tafel in der Seminargasse 6 zumindest ein paar: nämlich Shampoo und Seife. Die Tafel wird von der Domgemeinde St. Martin getragen. Hier herrscht, wie in Mössingen, ein rollierendes System. „Man zahlt etwa ein Zehntel des Preises“, erklärt Teamleiterin Johanna Swazek. Der Höchst-Gesamtbetrag, den man bezahlen muss, sind 2,50 Euro.

Die 63-jährige Hatice Akkuc fühlt sich hier wohl. 15 Jahre ist es her, seit sie angefangen hat, ehrenamtlich in der Tafel mitzuarbeiten. „Besser hier sein als allein zu Hause“, findet sie. „Ich kaufe meistens Gemüse und Brot“, sagt der 28-jährige iranische Flüchtling Omid Merpavar. „Die Qualität ist gut, ich freue mich, dass ich hier einkaufen darf“, sagt eine Hailfingerin. Eine andere Frau schließt sich ihr an: „Ich habe fünf Kinder und finde es sehr gut, dass es die Tafel gibt. Sonst würde es sehr knapp für uns werden.“ Ifigenia Stogios

Ruth Staib ist in der Mössinger Tafel für die Brottheke zuständig.

Ruth Staib ist in der Mössinger Tafel für die Brottheke zuständig.

Brotregal in der Rottenburger Tafel.  Bilder: Stogios

Brotregal in der Rottenburger Tafel. Bilder: Stogios

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23.12.2015, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 23.12.2015, 01:00 Uhr

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