Vom Bauern zum Fabrikarbeiter
Die heimatgeschichtliche Sammlung Bodelshausen zeigt das frühere Leben im Dorf
Armut war für die Menschen im Landkreis Tübingen über Jahrhunderte hinweg das beherrschende Thema – die Äcker gaben einfach nicht genug her.
Bodelshausen. Einen Ausweg aus der Not fanden viele Gemeinden erst, als die Eisenbahn in ihre Dörfer kam und sich erste Industriebetriebe entlang der Strecken ansiedelten, denn nun konnten Rohstoffe in die Dörfer gelangen und fertige Waren wieder hinaus transportiert werden.
Wie sich nun besonders Bodelshausen vom Kleinbauerndorf zur Industriegemeinde entwickelte, kann man in der dortigen Heimatgeschichtlichen Sammlung nachvollziehen: Die materielle Not durch die Realteilung und die vielfältigen kleinen Handwerksbetriebe werden ebenso deutlich wie der wirtschaftliche Aufbruch am Ende des 19. Jahrhunderts. Wie so häufig in Württemberg begann auch hier die Industrialisierung mit der Textilbranche: Carl Neidhardt richtete 1876 in einem Zimmer im alten Schulhaus eine Strickerei ein, die für einen ersten wirtschaftlichen Aufschwung sorgte. Später folgten weitere Betriebe von denen einige bis heute bestehen.
In der Folge wandelte sich das Leben der Dorfbewohner grundsätzlich: Die Landwirtschaft verlor immer weiter an Bedeutung für die Sicherung des Lebensunterhalts, die Haupteinnahmequelle stellte nun der Fabriklohn dar. Wie die Arbeit in den Fabriken genau aussah, kann man sich an den ratternden Strickmaschinen aus den 50er-Jahren erklären lassen, die an jedem Öffnungstag in der Heimatgeschichtlichen Sammlung in Betrieb sind.
In der „Heisa“ – wie das Bodelshäuser Museum liebevoll genannt wird, kann man auch sehen, wie diese wirtschaftliche Entwicklung das Leben der Dorfbewohner veränderte, als sie Fabrikarbeiter wurden. Im „roten Steinlachtal“ akzeptierten sie ihre neue Rolle, schlossen sich der Arbeiterbewegung an und gründeten 1895 einen eigenen SPD-Ortsverein.
Nun finden sich in der Ausstellung Protokollbücher, Fahnen und Devotionalien der Arbeiterbewegung, die zeigen, wie sehr diese Vereine ihren Mitgliedern halfen, den engen dörflichen Horizont zu durchbrechen. Aber auch vom traurigen Ende der blühenden Arbeiterbewegung erzählt die Ausstellung: Die Nationalsozialisten verboten 1933 den Arbeitergesangsverein Liederkranz ebenso wie die anderen sozialdemokratischen Vereine. Die Fahne des Gesangsvereins aber zeigt, wie die Sänger versuchten, ihren Zusammenhalt trotz des nationalsozialistischen Terrorregimes aufrecht zu erhalten: Als sich im darauf folgenden Jahr ein neuer Gesangsverein gründete, kamen nur die alten Mitglieder. Und die schafften nicht einmal eine neue Fahne an: Man trennte einfach einen Teil des Wortes „Arbeiter“ auf und ersetzte es durch „Männer“. Sicher dachten sich die Bodelshäuser Sänger ihren Teil, wenn sie im „Dritten Reich“ hinter dieser Fahne marschierten. Elke Thran
Heimatgeschichtliche
Sammlung Bodelshausen
Bahnhofstraße 73
Geöffnet von April bis Oktober an jedem ersten Sonntag im
Monat von 14 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung.
Nach dem Besuch kann
man sich in der historischen Wirtschaft stärken.