Einzigartige Stücke

Eine der ältesten Universitätssammlungen der Welt

Ingmar Werneburg ist seit dem vergangenen Jahr der Kurator der Paläontologischen Sammlung der Universität Tübingen. Der TAGBLATT ANZEIGER sprach mit ihm über seine Arbeit.

31.05.2017

Ingmar Werneburg arbeitet mit uralten Fossilien und Steinen.

Ingmar Werneburg arbeitet mit uralten Fossilien und Steinen.

Was genau macht eigentlich ein Kurator?

Kuratoren sind verantwortlich für die Betreuung wissenschaftlicher Sammlungen. Ich koordiniere sämtliche Neuzugänge in die Paläontologische Sammlung. Nach der konservatorischen Bearbeitung durch den Präparator müssen die neuen Stücke, in unserem Fall vor allem Fossilien, digital erfasst, beschriftet, mit Sammlungszetteln versehen und letztlich auffindbar in Sammlungsschränke einsortiert werden. Unsere bedeutende Sammlung beherbergt rund eine Million wertvoller Fossilien. Leider ist bisher nur ein kleiner Bruchteil davon erfasst und neue Schätze harren ihrer Entdeckung.

Eine der Hauptaufgaben des Kurators besteht darin, wissenschaftliche Gäste zu betreuen. Nach einer schriftlichen Sammlungsanfrage und ersten Recherchen in der Sammlung stehe ich den internationalen Wissenschaftler/innen bei ihren Untersuchungen vor Ort zur Seite.

Als Kurator bin ich zudem für die Darstellung, Erhaltung und Aktualisierung der öffentlich zugänglichen Ausstellung zuständig. Besonders wichtig ist, dass der Kurator selbst wissenschaftliche Beiträge liefert. So bleibt die Sammlung lebendig, und viele Kollegen in unserem Institut haben einen bedeutenden wissenschaftlichen Beitrag.

Was ist für Sie das Besondere an der Tübinger Sammlung?

Die Paläontologische Sammlung Tübingen zählt zu den ältesten, paläontologischen und zu den größten Universitätssammlungen der Welt. Sie geht bis auf die Universitätsgründung von 1477 zurück, als erste Vorlesungen zur „Geognosie“ angeboten wurden.

Unsere Besucher sind vor allem von den Reptilien des Jurameeres beeindruckt – darunter Fischsaurier mit erhaltenen Embryonen: Weltweit einzigartige Stücke, auf die wir Tübinger durchaus stolz sein dürfen. Aber sie finden auch den „Schwäbischen Lindwurm“, ein Plateosaurier aus Trossingen, der am Anfang der Dinosaurier-Evolution stand. Was es mit dem obskuren „Schwäbischen Medusenhaupt“ auf sich hat, möge der Leser bei freiem Eintritt in unserer Ausstellung, (Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr), selbst erforschen. Wir stellen fast nur Originalfossilien aus.

Gibt es ein Skelett oder Fossil, das Sie persönlich besonders fasziniert und warum?

Da muss ich gleich zwei Stücke nennen. Jeden Morgen laufe ich an einem großen Stein vorbei. Er stellt den fossilen Panzerausguss der frühesten Schildkröte der Erdgeschichte, „Proganochelys quenstedti“, dar: ein heiliger Gral für mich als Schildkrötenforscher. Gleich daneben ist ein einzigartiges Skelett aufgestellt.

Hier befindet sich der sogenannte Einzahnsaurier, „Henodus chelyops“, ein Meeresreptil, das mit seinem Körperpanzer oberflächlich an eine Schildkröte gemahnt. Tatsächlich ist der Panzer bei diesem fossilen, meeresbewohnenden Pflasterzahnsaurier unabhängig und auf andere Weise entstanden, und zahlreiche weitere Merkmale zeichnen ihn eindeutig als Vertreter dieser schildkrötenfernen Tiergruppe aus. Das ist ein einmaliges Beispiel für eine parallele Evolution und illustriert hervorragend die Aussagekraft einer gewissenhaft betriebenen Vergleichenden Anatomie, der wir als Evolutionsbiologen verpflichtet sind. Nebenbei bemerkt gibt es weltweit nur acht Exemplare des unvergleichbaren Einzahnsauriers. Und diese Fossilien wurden hier in Lustnau geborgen – wieder ein Alleinstellungsmerkmal unserer Tübinger Sammlung.

Aus welcher Zeit stammen denn die ältesten Stücke?

Unsere Sammlung beherbergt Organismen aus allen Erdzeitaltern, vom Anbeginn des Lebens im Präkambrium bis zur Gegenwart, also beginnend vor mehr als 3,5 Milliarden Jahren.

In unserem Stratigraphischen Saal werden wichtige Leitfossilien nach Erdschichten (Straten) chronologisch in historischen Eichenvitrinen ausgestellt. Der Württembergsaal zeigt Stücke aller Erdzeitalter unserer Region, beginnend im Perm vor 300 Millionen Jahren. Die Meeresreptilien-, Dinosaurier- und Therapsiden-Säle beschäftigen sich mit einzelnen Tiergruppen, und spezielle evolutiven Anpassungen zu verschiedenen Erdzeitaltern werden erläutert: Schwimmen, Fliegen oder Panzerbildung.

Interview: Johanna Soika

Der eindrucksvolle Schädel eines Wollhaarmammuts wurde in Horb gefunden. Bilder: Johanna Soika

Der eindrucksvolle Schädel eines Wollhaarmammuts wurde in Horb gefunden. Bilder: Johanna Soika

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Erstellt:
31.05.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 40sec
zuletzt aktualisiert: 31.05.2017, 01:00 Uhr

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