Fußballstars von morgen

Fördertraining in der Sportschule Ruit stellt die Weichen

Seit 2002 werden die künftigen Fußballstars in einem engmaschigen Netz von Profitrainern gesichtet. In die Sportschule Ruit kommen nur die Besten.

25.07.2018

Unter dem Begriff „Ruit“ stellen sich auch gestandene Fußballer etwas ganz besonderes vor. Klar: Sportschule, Talentschmiede, professionelle Ausbildung für angehende Fußballstars, Eliteförderung. Das kleine Filderdorf genießt nicht nur im Fußball einen vorzüglichen Ruf – auch für andere Sportarten ist es ein Ausbildungszentrum. Und wer mal in Ruit gewesen ist, also sozusagen dahin berufen wurde, muss durchaus Außergewöhnliches geleistet haben in seiner Sportart. Aber wie kommt man eigentlich nach Ruit?

Rottenburg ist Stützpunkt des DFB. Jeden Montag trainieren Talente von vier Jahrgängen – von der D- bis zur C-Jugend -– zusammen mit Auswahltrainern. Und die nominieren einmal im Jahr ihre zwölf besten Kicker für einen dreitägigen Sichtungstermin in Ruit. So wie dieses Jahr den Jahrgang 2006 vom 9. bis 11. Juli. Stützpunkttrainer Wolfgang Poerschke begleitete die zwölf Jungkicker, die von den Eltern zur Mittagszeit in Ruit abgeladen wurden. Weiterer Elternbesuch ist nicht erwünscht. Erst am letzten Tag können die Eltern beim Abschlussspiel ihrer Kinder zugucken. Der Aufenthalt wird in der Regel mit der Schule abgesprochen, die Schüler sind dabei selbst dafür verantwortlich, dass sie den Lehrstoff nachholen.


Erfolgreiche Rottenburger

Die Anlage in Ruit ist weitläufig. Sportstätten, Tagungsräume, Indoor-Spielhallen, ein Hallenbad, Mensa und über 100 Zimmer für die Unterbringung. Die Kinder haben Zweibettzimmer, TV-Gerät inklusive. Der Aufenthalt kostet die Fußballer und Fußballerinnen nichts, der DFB übernimmt die Kosten.

Gleich am ersten Tag, nach der Raumverteilung, geht es los mit dem Gekicke. Denn außer dem Rottenburger Stützpunkt sind noch weitere Stützpunkte wie zum Beispiel Heidenheim, Frommern oder Tumlingen geladen. Gegen diese Teams wird im Lauf der drei Tage gespielt, am Ende gibt es einen Turniersieger.

Die Rottenburger waren überaus erfolgreich. Denn nach zwei Siegen am ersten Tag, darunter ein zweistelliger Kantersieg gegen Heidenheim, kam am zweiten Tag das Hallenturnier. Dafür teilte Poerschke die Rottenburger in zwei Teams auf. Das Turnier dauerte den ganzen Tag, am Ende belegten die Rottenburger Platz eins und drei. „Toll, wie die Jungs das gemacht haben“, so der Trainer.

Am dritten Tag gab es das Finale der beiden besten Stützpunkte. Dabei gelang den Bischofsstädtern ein klares 5:1 gegen den Stützpunkt Marbach. Da konnte sich auch Poerschke nicht erinnern, wann und ob ihnen das schon mal gelungen war. Am Ende gab es Medaillen und viel Anerkennung, auch der anderen Trainer und vor allem der Ruiter Stammtrainer.


Lehrgang für die Besten

Schließlich dann der Sinn dieser Sichtung: Aus all den angetretenen Teams wurden die besten für einen Lehrgang in Ruit nominiert. Damit gelangt man in die Fördergruppe, erhält Sondertraining und wird regelmäßig zu Lehrgängen eingeladen. Aus dem Umfeld der Rottenburger schafften es immerhin drei Jungkicker.

Den Weg über das Ruiter Förderprogramm ging übrigens auch Lukas Laupheimer, der heute beim VfB spielt und inzwischen U16-Nationalspieler ist (das SCHWÄBISCHE TAGBLATT berichtete im Sportteil). Auch der heutige Schalker Thilo Kehrer war in Ruit. Zu den Lehrgängen muss man immer wieder aufs Neue berufen werden. Bringt man nicht die erhoffte Leistung, fällt man auch schnell wieder aus dem Programm. Über die Berufungswahl gibt es unterschiedliche Meinungen.

Heiko Necker zum Beispiel, heute Jugendleiter bis zur U14 beim SSV, hält nicht viel davon. Er war bis vor zwei Jahren Jugendtrainer beim VfB Stuttgart. Beim Antritt beim SSV berichtete er beim Elternabend, „dass am Ende immer die VfB-Spieler weiterkommen, aber kaum mal einer von einem kleineren Verein“. Klar ist auch, dass die Förderspieler durch ihren Ruit-Aufenthalt automatisch in den Fokus größerer Vereine geraten. Dann werden diese halt von den Provinzvereinen abgeworben. „Aber im Grunde ist es doch das, was wir auch wollen“, sagt dazu ein Vater, „sich für die großen Teams präsentieren und dann ein Angebot erhalten.“

Tatsächlich ist es so, dass große, hoch spielende Vereine wie der VfB, wie die Stuttgarter Kickers, Heidenheim oder auch Aalen, ein eigener Stützpunkt sind. Hier werden dann im Verein selbst die besten Spieler und Spielerinnen zusammengezogen. Durch das engmaschige Netz der Spielerbeobachtungen entgeht kaum mal ein Talent den scharfen Augen der Auswahltrainer.


Überzogene Erwartungen

Doch mit der Sichtung für den Stützpunkt und der anschließenden Einladung nach Ruit ist keineswegs eine strahlende Karriere vorgezeichnet. Man müsse da Realist bleiben, so die Stützpunkttrainer. Auch ein Lehrgang in Ruit ist nicht mehr als eine Chance. Die müsse man unbedingt nützen, aber daraus eine Profikarriere herzuleiten, sei abwegig.

„Wenn man sich die Spieler hier am Stützpunkt ansieht, dann kann man davon ausgehen, dass 95 Prozent von ihnen später gute Landesligakicker sind“, stellt Wolfgang Poerschke fest. Die Erwartungen der Kinder, aber vor allem der Eltern, seien oft überzogen. Aber was man auf den Stützpunkten und in Ruit an Rüstzeug mitbekomme, erhalte man in den meisten Vereinen ansonsten nicht. Werner Bauknecht

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Erstellt:
25.07.2018, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 25.07.2018, 01:00 Uhr

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