Im Zeichen der Neunziger

Gerettete Tübinger Typographien: Jimmy‘s Musikladen

Die Geschichte von Jimmy’s Musikladen beginnt in Gomaringen 1980. Der Laden sollte noch viermal umziehen, bis er in der Mühlstraße 18 sein letztes Domizil fand und vergangenes Jahr nach 43 Jahren die Türen schloss.

31.01.2024

Wo musste man hin, um die Gitarre reparieren zu lassen? Ganz klar – schnell zu Jimmy’s!Bild: Barbara Honner

Wo musste man hin, um die Gitarre reparieren zu lassen? Ganz klar – schnell zu Jimmy’s!Bild: Barbara Honner

Den Namen erhielt der Laden vom Gründer Gunther „Jimmy“ Reichardt und bei diesem Spitznamen blieb es für immer. Klaus Langeneckert-Mayer war der Bastler, Reparierer und Schrauber im Team, in das er kurz danach eintrat. Um die Jahrtausendwende übernahm er den Laden.

Die Tübinger Musikszene kaufte Jahrzehnte lang in Jimmy’s Musikladen ein und ließ reparieren. Zuletzt aber hatte die Kundschaft Probleme mit der neuen Verkehrsregelung in der Mühlstraße und der Internethandel tat sein Übriges. Um an einem neuen Standort noch einmal anzufangen, fühlte sich Klaus Langeneckert-Mayer zu alt. Aber eine Reparaturwerkstätte betreibt er seit Herbst 2023 in der Rappstraße 21.

Die Schrift des Ladengeschäfts ist ein Entwurf des Tübinger Grafikers Uli Gleis. Während der fast 30 Jahre wurde dieser Schriftzug nie überarbeitet oder modernisiert. Mitte der 1990er-Jahre steckte das Desktop Publishing noch in den Kinderschuhen und es musste noch einiges von Hand gemacht werden oder in einer Kombination aus analog und digital. Lassen wir den Grafiker selbst sprechen: „Die Aufgabenstellung für mich als Gestalter war klar: Um welche Art von Ladengeschäft es geht, sollte auf den ersten Blick erkennbar sein. Der Schriftzug „Jimmy’s“ ist handgezeichnet beziehungsweise von Hand geschnitten, das heißt, die Lettern und deren Binnenräume sind mit dem Skalpell geschnitten, die Serifen danach mit Filzstift angesetzt. Das „J“ ist an einer Note angelehnt. Die gesamte Anmutung soll die Assoziation Pop/Rockmusik/Gitarren – also aktuelle, nicht klassische Musik – evozieren.

Einflüsse der Typografie der 90er sind erkennbar: Neville Brody (Großbritannien, „The Face“) und David Carson (Kalifornien) beispielsweise. Hinterlegt ist der Schriftzug mit den 5 Notenlinien. ‚MUSIKLADEN‘ ist gesetzt in der halbfetten Kabel, einer geometrischen Groteskschrift, Mitte der 1920er-Jahre unter dem Einfluss des Bauhauses von dem Typographen Rudolf Koch entwickelt, die in den 90ern – digital überarbeitet und ‚modernisiert‘ – bei Grafikern der ausgehenden New-Wave-Welle eine Renaissance erlebte.

Ein weiteres Element ist die Silhouette des weglaufenden Gitarristen – wie der Schriftzug mit dem Skalpell geschnitten –, die ebenfalls Dynamik und Geschwindigkeit visualisieren soll. Klaus Langeneckert war schon damals dafür bekannt, dass er schnell Lösungen für Welches-Problem-auch-immer fand, wenn es um Reparaturen von Musikinstrumenten jeder Art ging, egal wie exotisch sie waren.“

Mit dem Eigentümer des Hauses und dem Nachfolger des Ladengeschäfts in der Mühlstraße war vereinbart worden, dass der Aushänger für das Stadtmuseum gerettet werden solle. Leider wurden die bekannten Klebelettern aus roter Folie im Juli 2023 trotzdem abgekratzt und entsorgt. So blieb nur noch ein Gaze-Banner und eine Beachflag mit dem typischen Schriftzug übrig. Barbara Honner

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Erstellt:
31.01.2024, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 19sec
zuletzt aktualisiert: 31.01.2024, 01:00 Uhr

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