Stabkirchenhütte und Hochlandrind

Hinaus ins Grüne: von Öschingen zum Bolberg und Genkinger Rinderberg

20.06.2018

Auf dieser Wanderung hat man wunderschöne Blicke ins Tal. Hier sieht man Öschingen vom Bolberg aus. Bilder: Arndt Spieth

Auf dieser Wanderung hat man wunderschöne Blicke ins Tal. Hier sieht man Öschingen vom Bolberg aus. Bilder: Arndt Spieth

Start und Ziel dieser Rundwanderung ist das Öschinger Sportheim, gleich oberhalb vom Öschinger Freibädle. Wir wandern den Schotterweg zwischen Parkplatz und Tennisplätzen leicht bergauf Richtung Osten durch die Wiesen ins Naturschutzgebiet Öschenbachtal. Im Wald folgen wir dem Rafnachgrabenweg für längere Zeit durch prächtige Buchen-Hangwälder und schmale Waldschluchten, bis wir an die Kreuzung mit der idyllischen Schutzhütte „Hirschhäusle“ kommen. Ab hier schlängelt sich unser Wanderweg, der mit einem roten Dreieck stetig gekennzeichnete Schwäbische-Alb-Nordrand-Weg (HW1) hoch Richtung Bolberg (880 Meter hoch). Beinahe am höchsten Punkt angekommen, stoßen wir auf eine weitere Wegkreuzung. Hier lohnt es sich, 500 Meter nach rechts bis zur Bolberghütte gehen. Vom ‚Gipfel‘ des Bolbergs bietet sich bei klarer Sicht ein fantastischer Ausblick über den Farrenberg, Filsenberg und Hirschkopf bis hin zum Nordschwarzwald im Hintergrund.

Der Bolberg liegt an der Grenze der Landkreise Reutlingen und Tübingen und gilt als der höchste Punkt im Kreis Reutlingen. Das originelle Blockhaus entstand um 1894, wobei der Planer wohl ein Faible für skandinavische Stabkirchen hatte. Nach einem Brand wurde sie 1930 wieder originalgetreu aufgebaut. Vor der Hütte gibt es auch einen Grillplatz und Bänke zum Vespern und Ausruhen, ein ideales Plätzle für eine Rast nach dem anstrengenden Aufstieg.

Danach wandern wir das kurze Stück wieder zurück und folgen dem mit einem roten „Y“ gekennzeichneten Wanderpfad weiter in die gleiche Richtung. Nach einiger Zeit öffnen sich einige herrliche Ausblicke auf die markante Kuppe des Rossbergs. Das dichtbewaldete Öschenbachtal wirkt von hier oben wie ein unberührtes Urwaldrefugium, irgendwo in einem Nationalpark. Auf den Weiden findet man zwar keine Gazellen, dafür grasen hier Kühe und schottische Hochlandrinder (siehe Foto rechts. Bald erreichen wir den Genkinger Skilift mit dem Rasthaus Schanz, einer netten Einkehrmöglichkeit auf unserer Tour. Von hier gehen wir weiter bergauf und folgen dem auch als Albsteig bekannten (HW1) mit dem roten Dreieck weiter Richtung Roßberg. Rechts am Horizont sehen wir die Häuser von Genkingen und nach einem Parkplatz geht’s am Genkinger Schützenhaus vorbei zum Unteren Rinderberg (802 Meter).

Der Berg müsste eigentlich in Pferde- oder Roßberg umbenannt werden, denn um die beliebte Eldorado Ranch rechts vom Weg erstrecken sich neben Stallungen und Reithalle ausgedehnte Pferdekoppeln. Wir wandern auf dem HW1 weiter über die aussichtsreiche Albhochfläche, queren die Kreisstraße, gehen kurz nach links und halten uns gleich wieder rechts. Nach 300 Metern macht unser Wanderweg einen Schwenk nach links. Wer hier einen Abstecher zu einem ungewöhnlichen Geschichtsereignis machen möchte, der hält sich in dieser der Kurve rechts und folgt dem Weg über das Sträßchen 500 Meter bis zur Buobergschanze. Ein paar Gräben im Erdreich, sonst nichts, aber eine interessante, fast groteske Story.

Die Buobergschanze

Der Tod eines einzigen Mannes am 1. November 1700 stürzte halb Europa ins Chaos und hatte selbst hier oben deutliche Folgen. Es geschah in Madrid und es war der kinderlose spanische König Karl II. Das Problem: Ein Nachfolger war nicht auszumachen und zu viele wollten an die Macht. Der Streit eskalierte und von 1701 – 1713 kam es überall in Europa zu großen Schlachten. Die Haager Große Allianz um den österreichisch-habsburgischen Kaiser, das Heilige Römische Reich, Großbritannien und die Niederlande kämpfte gegen Frankreich und seine Verbündeten, zu denen auch das damalige Kurfürstentum Bayern gehörte. Das Herzogtum Württemberg war im Spanischen Erbfolgekrieg ein Verbündeter Österreichs – wie fast alle deutschen Fürsten mit Ausnahme eben von Bayern. Im Jahr 1703 bildete sich bei Tuttlingen ein aus Franzosen und Bayern zusammengewürfeltes Heer von rund 55 000 Mann. Die Württemberger gerieten in Panik. Hastig buddelten viele Hände lange tiefe Gräben ins felsige Erdreich, um das württembergische Kernland hier oben verteidigen zu können. Alles auf Geheiß des besorgten württembergischen Herzogs Eberhard Ludwig und seiner Militärstrategen. Vor den Gräben schüttete man Wälle auf, hinter denen die Verteidiger mit ihren Musketen, Flinten oder den 4,5 Meter langen Piken, damals als Schweinsfedern bekannt, stehen sollten. Um die Schanzen errichtete man große Verhaue unter anderem mit „Spanischen Reitern“. Das waren spitze Pfähle, die man mit der Spitze nach oben ins Erdreich rammte. Diese Schanzen, zu denen auch die Buobergschanze gehört, waren bald als die „Alblinien“ bekannt. Am 13. August 1704 wurde das Heer jedoch an der Donau von den Reichstruppen geschlagen und man überließ das Bollwerk wieder der wuchernden Natur. Heute erinnert ein Geschichtslehrpfad mit Infotafeln an die verschiedenen Rossbergschanzen.

Wir folgen nun weiter dem HW1 nach links Richtung Roßberg (Westen) dessen bewaldete Kuppe jetzt direkt vor uns liegt. Hier auf den kargen Hochwiesen mit ihrer artenreichen Wiesenflora oder im Naturschutzgebiet Öschenbachtal finden sich verschiedene Orchideenarten wie das Brandknabenkraut, Gefleckte Knabenkraut oder die Mückenhändelwurz sowie einige Enzianarten, die allesamt streng geschützt sind.

Beim Wanderparkplatz schwenkt der mit dem roten Dreieck gekennzeichnete HW1 nach links hinunter ins waldreiche Tal des Öschenbachs. Wer den Roßbergturm und das Wanderheim besuchen möchte, folgt einfach den Ausschilderungen. Ansonsten wandern wir bergab und tauchen wieder ein ins Öschenbachtal. Unten halten wir uns vor dem Bach rechts. Ab dem Waldparkplatz ist der Weg asphaltiert und man hat schöne Ausblicke auf den Albtrauf und das Rutschungsgebiet oberhalb der Öschinger Landhaussiedlung, wo nach ausgiebigen Regenfällen im Juni 2013 große Fels- und Geröllmassen ins Tal abgerutscht sind. Vor der Siedlung halten wir uns links, gehen am lauschigen Öschinger Freibädle vorbei und erreichen wieder den Startpunkt, das Sportheim von Öschingen. Arndt Spieth

Länge: 11 Kilometer

Gehzeit: 3,5 Stunden

Höhenunterschiede: 345 Meter

Einkehrmöglichkeiten: Rasthaus Schanz am Genkinger Skilift, eventuell Wanderheim Roßberg, Sportgaststätte oder Freibad Öschingen. Wer hier baden möchte, sollte Badebekleidung und Handtuch mitnehmen.

Grillplatz: Bolberg

ÖPNV: Busse der Linie 155 vom Mössinger Bahnhof bis zur Haltestelle Schöllerstraße in Öschingen. Von dort zum Öschinger Freibad/Sportheim wandern.

Arndt Spieth ist Autor des Wanderführers „Kreuz und quer durch Tübingen“.

Die Bolberghütte erinnert an eine skandinavische Stabkirche.

Die Bolberghütte erinnert an eine skandinavische Stabkirche.

Hinaus ins Grüne: von Öschingen zum Bolberg und Genkinger Rinderberg

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20.06.2018, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 20.06.2018, 01:00 Uhr

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