Eine eigene Stimme

Nils Wogram kommt mit seinem Quartett Root 70 in den Reutlinger Pappelgarten

Ursprünglich aus Neuseeland und Deutschland, leben die vier Musiker der Band Root 70 mittlerweile in unterschiedlichen Teilen der Welt und kommen regelmäßig zusammen, um – ausgehend vom Jazz als Grundlage – über den Tellerrand hinauszuschauen.

29.11.2023

Der 51-jährige Nils Wogram wollte schon als Kind unbedingt Posaune spielen. Bild: Jürgen Spieß

Der 51-jährige Nils Wogram wollte schon als Kind unbedingt Posaune spielen. Bild: Jürgen Spieß

Er galt lange als der Shooting-Star der deutschen Jazzszene und konnte sich vor Lob kaum retten. Inzwischen ist der aus Braunschweig stammende Posaunist Nils Wogram längst in der europäischen Champions League des Jazz angekommen und hat mit seiner seit 23 Jahren bestehenden Band Root 70 einen unverwechselbaren Bandsound und eine eigene Sprache entwickelt.

Nils Wogram, Jahrgang 1972, hat Preise bei „Jugend musiziert“ und den SWR-Jazzpreis 1998 gewonnen, spielte in Peter Herbolzheimers Bundesjazzorchester, der Hip-Hop- und Party-Band Jazzkantine und von 1994 bis 2006 in der Jazzformation Underkarl des Kontrabassisten Sebastian Gramss. Er studierte zunächst in Braunschweig klassische Posaune. 1992 wechselte er zur New School in New York und studierte dort bis 1994 mit einem Stipendium Jazzposaune und Komposition. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland erschien 1994 sein Debütalbum „New York Conversations“.

Das erinnert ein wenig an die steile Karriere von Till Brönner. So hat Wogram seit 1992 bereits 30 Alben unter eigenem Namen veröffentlicht und betreibt seit 2010 sein eigenes Label „nwog records“. Zwei Jahre lebte und studierte Wogram in New York, was ihn stark geprägt hat: „Ich fahre auch heute noch häufig dort hin und habe viele Kontakte zu Musikern, weil New York die beste und umfangreichste Jazzszene der Welt hat. Die Musiker aus dem Big Apple bringen eine ganz besondere Energie und Spielfreude mit“, ist der 51-jährige Posaunist überzeugt.

Wogram hat sich nicht nur als Posaunist und Bandleader einen Namen gemacht, sondern auch als Komponist, und sowohl in Deutschland als auch Amerika mehrere Preise mit seinen komplexen Arrangements gewonnen: „Das Tolle ist, dass ich bisher noch keinerlei Kompromisse eingehen und mich nirgendwo anbiedern musste“.

Gleichzeitig gibt Wogram zu, dass man als Jazzposaunist gerade bei der jüngeren Generation ein Exot ist: „In der Beziehung war ich immer mehr ein Outsider. Nicht unbedingt, dass ich andere Musik abgelehnt hätte, aber ich habe schon als Zehnjähriger gerne Jazz gehört.“ Das kommt durch die Familie: Wograms Vater hatte eine große Jazz-Plattensammlung und die hat der Sohn von vorne bis hinten durchgehört: „Ich wollte schon als Kind Posaune spielen“, erzählt Wogram, „doch zunächst habe ich mit Euphonium angefangen, weil damals mein Arm noch nicht lang genug war.“

Obwohl seine Musik mit Root 70 viele Free-Elemente hat, hat sie immer auch ein starkes Blues- und Swingfeeling, und greift auf eine sehr lebendige und authentische Weise auf Verweise aus der Vergangenheit zurück. Das hört sich zuweilen wie das Albert Mangelsdorff Quartett der späten 1960er-Jahre an, dann wieder erinnert der Jazz von Root 70 an Wograms große Vorbilder Duke Ellington und Miles Davis: „Der Sound ist mir sehr wichtig, und vor allem, dass man eine eigene Stimme findet“. Gerade im Jazz gäbe es die Vertreter der Tradition, die praktisch nur sauber, fast steril spielten und „es gibt Posaunisten, die sehr frei spielen. Mich fasziniert beides“, betont Nils Wogram, der seit 2004 in Zürich lebt und als Hochschullehrer im Jazzstudiengang an der Hochschule Luzern lehrt.

„Im Jazz wie im Leben darfst du niemals stehen bleiben und musst Grenzen überwinden“, ist seine Lebensmaxime. Am kommenden Dienstag ab 19.30 Uhr kann man dies im Pappelgarten live erleben, wenn Nils Wogram mit Hayden Chisholm am Altsaxophon, Matt Penman am Bass und Jochen Rückert am Schlagzeug antritt, um über den Tellerrand hinauszuschauen. Jürgen Spieß

Am Dienstag, 5. Dezember, stellen Nils Wogram und die Band Root 70 ihr neues Album „The Pristine Sound Of Root 70“ im Reutlinger Pappelgarten vor.

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29.11.2023, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 29.11.2023, 01:00 Uhr

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