Ein bisschen Matisse

Ursula Goes hat seit sieben Jahren ein Kunstatelier in der Südstadt

14.03.2018

Von Andrea Bachmann

Im Atelier Alte Schlosserei gibt es jede Menge Farben und Papiere und richtig viel Platz, um große Bilder malen zu können – für große und kleine Leute.Bilder: Andrea Bachmann

Im Atelier Alte Schlosserei gibt es jede Menge Farben und Papiere und richtig viel Platz, um große Bilder malen zu können – für große und kleine Leute.Bilder: Andrea Bachmann

Eine ehemalige Schlosserwerkstatt in der Tübinger Südstadt. Große Fenster mit Blick ins Grüne, flexible Wände, eine lange Werkbank, viel Patina. Ein Ofen spendet lebendige Wärme, ein altes Ledersofa davor sorgt für viel Behaglichkeit. Es ist kaum zu glauben, dass es so etwas in Tübingen überhaupt noch gibt, so viel Platz und soviel Werkstattcharme.

Hier haben die Künstlerin Ursula Goes und ihre Kollegin Dorothea Schwarz seit 2011 ihr Atelier, hier arbeiten sie selbst und geben Malkurse für Kinder und Erwachsene. Die Räume haben ihnen die Töchter des Schlossers vermietet. „Die waren froh, dass es eine Werkstatt bleibt.“

Was sofort auffällt, sind die Farben. Zart und kräftig zugleich, frühlingshaft. Formen bringen Klarheit und deuten Vögel und Pflanzen an. Ursula Goes liebt Übergänge, lässt die Grenzen zwischen außen und innen, Himmel und Erde verschwimmen. Ein bisschen erinnern die Bilder an die Werke von Henri Matisse. Der französische Maler sei tatsächlich so etwas wie ein privater Lehrer von ihr, meint Ursula Goes. Das gilt nicht nur für Formensprache und Farben, sondern auch für die Technik selbst: Neben Malerei und Druck fertigt die Tübinger Künstlerin Scherenschnitte aus farbigen, oft ganz außergewöhnlichen Papieren an: „Eine meiner Großtanten hat Papiere gesammelt, die habe ich alle geerbt.“

Das Werk der Künstlerin und Filmemacherin Lotte Reiniger hat Goes erst 2005, nach ihrer Ausbildung kennen gelernt. Aber die eher märchenhaften Motive lassen eine gewisse Nähe zu der Tübinger Grande Dame des Scherenschnitts erkennen.

Die Beschränkung auf das kleine Format ist zum Teil Programm – „Das Kleine ist leichter zu überblicken“ – und zum Teil auch einfach der Tatsache geschuldet, dass Goes lange Zeit zu Hause gearbeitet hat. Da waren raumgreifende Malereien und Collagen nur schwer unterzubringen. Jetzt, im Atelier in der „Alten Schlosserei“ gibt es endlich Platz für Größeres, auch im übertragenen Sinn.

Ursula Goes hat lange gebraucht, um „aus der Deckung zu kommen“, wie sie sagt. Nach dem Abitur beginnt sie zunächst ein Kunsttherapiestudium in Nürtingen, macht dann aber eine Ausbildung zur Physiotherapeutin. Dann studiert sie doch Kunst, an der Hochschule in Stuttgart, legt eine längere Pause ein, weil sie eine Tochter bekommt und gibt nach dem Studium Kunstkurse an der Familienbildungsstätte. Als Physiotherapeutin in der Kinderklinik träumt sie von einer Malschule für Kinder – „die Physiotherapie war mir nicht kreativ genug“ – und engagiert sich in einem mobilen Kinderkunstprojekt. „Da haben wir verschiedene Kindergärten auf der Alb und im Steinlachtal abgeklappert.“

Als sie 2005 beschließt, die Kunst endlich zu ihrem Hauptberuf zu machen und die Malschule „Farbtopf“ gründet, wird sie wieder schwanger.

„Ich musste mir die Kunst immer wieder erobern, mir immer wieder den Platz dafür schaffen und dazu stehen, dass sie ein Schwerpunkt in meinem Leben ist“, erzählt Ursula Goes, der es heute noch schwer fällt, ein Bild zu verkaufen. Auch ausstellen wollte sie lange Zeit nicht. Das hat sich aber geändert: Am kommenden Sonntag, 18. März, lädt sie in ihrer Schlosserwerkstatt zu einem offenen Ateliertag ein. „Zurück aus dem Winterschlaf“ hat sie ihn überschrieben. Die Collagen, Malereien und Scherenschnitte thematisieren den Weg vom Winter, von Rückzug und Stille in den Frühling, in Aufbruch und Bewegung.

Die Liebe zur Natur drückt sich bei Ursula Goes nicht nur in der Kunst aus. Die leidenschaftliche Gärtnerin arbeitet als Minijobberin in den Gärten am Neckar, die vom Verein für Sozialpsychiatrie bewirtschaftet werden. „Ich habe zwei wunderbare Arbeitsplätze, der Garten und die Kunst beeinflussen sich gegenseitig.“ Andrea Bachmann

Ursula Goes

Atelier Alte Schlosserei

Schellingstraße 22

Offenes Atelier für alle Interessierten am kommenden Sonntag, 18. März, von 11 bis 19 Uhr

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Erstellt:
14.03.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 54sec
zuletzt aktualisiert: 14.03.2018, 01:00 Uhr

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